© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/07 08. Juni 2007

Schlammringen in Regensburg
CSU: Der Kreisverband der Partei ist tief zerstritten / Vorwurf der "Rechtslastigkeit"
Werner Veith

Als "Kuttenbrunzer" (Kuttenpinkler) soll ein Stadtrat der CSU Regensburg die Pfarrer bezeichnet haben und in einer Gaststätte einen "halben Juden auf Brot" bestellt haben. Ein anderer habe einen antijüdischen Witz in der Regensburger Synagoge erzählt, sagt Franz Rieger, Kreisvorsitzender der CSU. Zudem stehe die Behauptung im Raum, daß ein dritter Stadtrat nationalsozialistische Uniformen in seinem Kleiderschrank sammele. In der Regensburger CSU geht es drunter und drüber.

Interessant an den drei Stadträten ist, daß sie dem sogenannten Schaidinger-Lager zuzurechnen sind, also zu den Verteidigern des Oberbürgermeisters Hans Schaidinger zählen. Sein Kontrahent: Thomas Fürst, Historiker, Stadtrat und stellvertretender Parteivorsitzender. Er will, zusammen mit einigen Leuten aus der Jungen Union, bei der CSU ein deutliches Wort mitreden.

Rückblende - was bisher geschah: Sechs CSU-Politiker werden wegen angeblicher rechtsradikaler Äußerungen belastet, die zum Teil mehr als zwölf Jahre zurückliegen. Alle Ankläger kommen aus der CSU, alle Verdächtigen werden dem Fürst-Lager zugerechnet. Es gibt Anzeigen wegen Volksverhetzung, je eine wegen Beleidigung, Nötigung und Verwendung von verfassungsfeindlichen Symbolen. Doch - arbeitsökonomisch schlau, wie Staatsanwälte eben arbeiten - prüfen sie zuerst die örtliche Zuständigkeit und die Verjährung, bevor sie überhaupt Anklage erheben. Mitte Mai erläutert Oberstaatsanwalt Johann Plöd sein Ergebnis: Alle Vorwürfe, egal ob sie zutreffen oder nicht, sind bereits verjährt.

Damit sind zwar die staatlichen Gerichte entlastet, nicht aber die CSU. Für die sofortige Suspendierung der sechs Politiker gibt es keine Rechtsgrundlage mehr, so daß auf die Suspendierung verzichtet wird. Die Parteigerichte können sich nicht mehr auf die Ergebnisse der Strafjustiz berufen, sondern müssen alles selber erforschen: Wer hat was genau gesagt? In welchem Jahr, an welchem Tag? Wer war noch anwesend, wer hat es auch gehört? In Gaststätte A oder in der Privatwohnung? Und das bei Dingen, die vor mehr als zehn Jahren geäußert wurden - eine Detektivarbeit ersten Ranges. Der Vorsitzende des Parteischiedsgerichts muß ein Jurist sein.

Dabei ist klar, daß Strafrecht und Parteienrecht zwei Paar Stiefel sind. Was strafrechtlich erlaubt ist, muß eine Partei noch lange nicht dulden. Grundrechte gelten eben nur zwischen Bürger und Staat - und nicht automatisch zwischen Bürger und Bürger, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Bürger und Partei. Natürlich müssen die Christsozialen niemanden in ihren Reihen tolerieren, der mit einer Pullover-Aufschrift "Ich hasse die CSU" herumläuft oder für die FDP arbeitet. Dem Staatsanwalt kann das egal sein, weil keine Form von Extremismus vorliegt.

Schwieriger ist es schon, Maßstäbe für parteischädigendes Verhalten zu präzisieren, das dann letztendlich zum Parteiausschluß führt. "Parteischädigendes Verhalten ist ein sehr offener, ein sehr weicher Begriff", meint der Nürnberger Staatsrechtler Karl Schachtschneider. "Der Gesetzgeber hat den Parteien da viel Definitionsmacht überlassen. Staatliche Gerichte können zwar die Entscheidungen der Parteigerichte überprüfen, aber sie konzentrieren sich auf die formale Fairneß des Parteiausschlußverfahrens."

Soweit ist es in Regensburg noch nicht. Bis zum Sonnabend sollen alle neun Beschuldigten eine Stellungnahme abgeben. Die Zeit drängt. Im Juli 2007 soll die Stadtratsliste stehen. Am 2. März 2008 ist Kommunalwahl in Bayern.

Und wie berichtet die regionale Presse über die Angelegenheit? Dort purzeln die Schlagwörter wild durcheinander: rechts, rechtslastig, rechtsradikal, rechtsextremistisch - für die Journalisten ist alles irgendwie dasselbe. Als ob es keinen Unterschied gäbe zwischen Franz Josef Strauß und Adolf Hitler - als ob es keinen Unterschied gäbe zwischen Helmut Schmidt und Josef Stalin, wenn man das linke Spektrum ausleuchtet. Die passende Steilvorlage hierfür gibt Herbert Schlegl, Fraktionsvorsitzender der Regensburger CSU, indem er von "Untersuchungen gegen CSU-Stadträte wegen rechtslastiger Vorwürfe" spricht.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen