© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/07 01. Juni 2007

Streichungsopfer
von Klaus Peter Krause

Die Bundesregierung hat gesetzwidrig gehandelt. Das bestätigt nun auch ein Vergleich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte; sonst hätte sie ihn nicht geschlossen. Festgestellt hatte die Gesetzeswidrigkeit zuvor schon das Bundesverwaltungsgericht. Es ging in dem Verfahren um die Wiedergutmachung einer Enteignung in der einstigen DDR. Eine Regelung im Vermögensgesetz sah vor, den Opfern ein gleichwertiges Ersatzgrundstück zu geben, wenn ihre einst enteigneten Grundstücke nicht mehr verfügbar waren.

Von solchen Fällen gibt es rund 100.000. Aus fiskalischen Gründen wollte sich die Bundesregierung der Pflicht zur Ersatzrückgabe entziehen und bereitete die Streichung jener Regelung vor. Aber bis das geschehen war, wies das Finanzministerium die Vermögensämter bereits an, Anträge auf Ersatzgrundstücke abzulehnen oder die Bearbeitung hinauszuzögern. Teils machten die Ämter den Enteigneten dabei weis, es gebe solche Grundstücke nicht. Als der Anwalt eines Opfers das als falsch nachwies und auf der Ersatzrückgabe bestand, war die ursprüngliche Vorschrift bereits gestrichen, und die Ämter verweigerten die Rückgabe nun aus diesem Grund.

Der bewußte Verstoß gegen ein Gesetz ist gemeinhin ein krimineller Akt. Und das Streichen jener Vorschrift? Ein gesetzeswidriger Akt ist es nicht, wohl aber ein rechtswidriger. Es verweigert die Wiederherstellung eines Rechts, die möglich und geboten ist. So bleibt dieses Unrecht ein offenes Kapitel.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen