© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

Meldungen

Europäische Union:Halbierte Gerechtigkeit

WIESBADEN. "Unterm Strich" lasse sich die EU heute aus sozialpolitischer Sicht kaum anders denn als "organisierte Unverantwortlichkeit zur Verwaltung eines halbierten Gerechtigkeitsverständnisses beschreiben", wie der Politologe Jürgen Neyer beklagt (Leviathan, 1/07), wobei er mit "halbiert" die "Schieflage" sogar kraß beschönigend umschreibt. Diese den "Solidaritätsgedanken" ignorierende Fixierung auf das "Kapital" verwundere nicht, denn im Zuge der Brüsseler Expansion hätten sich nationale Regierungen nur zu gern jener Kompetenzen entledigt, die ihnen ermöglichen würden, "der gesellschaftlichen Forderung nach verteilungsgerechter Politik nachzukommen". Nachdem nun die "dritte Stufe" der Wirtschafts- und Währungsunion die Mitgliedsstaaten aber auf einen neoliberalen, angebotsorientierten Wirtschafts- und Finanzrahmen verpflichtet, gebe es für größeres sozialpolitisches Engagement "kaum Spielraum". Die in Analysen seit langem vorhergesagte Etablierung Brüssels als bequemer "Sündenbock" für eigene sozialstaatliche Inkompetenz sei somit Realität. Einen Ausweg sieht Neyer jedoch nicht in renationalisierter Sozialpolitik. Damit sich die aufgestaute "unkonstruktive Frustration nicht gegen das System als solches" wende, müsse der Europäische Rat als eigentliches "Machtzentrum" der EU "parlamentarisiert" werden. Von diesem Legitimierungsschub erhofft er sich eine Überbrückung der "immer tiefer werdenden Kluft zwischen der europäischen Lebenswelt der Bürger und der Systemwelt der Administration".

 

Streit um Israel: Genozidal bedroht

BERLIN. Weitgehend unbemerkt von der bundesdeutschen Intellektuellen-Provinz spitzt sich der "Streit um Israel" seit Monaten in der angelsächsischen Öffentlichkeit zu. Ausgangspunkt war die Attacke der Politologen John Mearsheimer und Stephen Walt gegen die "Israel Lobby", die Finanz- und Mediengewaltigen der "Ostküste", denen ein verhängnisvoller Einfluß auf die US-Politik im Nahen Osten, vor allem aber das Irak-Desaster der Bush-Regierung angelastet wurde (JF 44/06). Seitdem hat sich der innerjüdische Streit verschärft. Juden beschimpfen sich untereinander in so generöser Weise als "Antisemiten", daß diese beliebteste aller Totschlage-Vokabeln nur noch kabarettistischen Eindruck macht. Höchste Zeit für den (Volks-)Pädagogen Micha Brumlik, Israel-Kritik jeder Couleur, von Tony Judt über Norman Finkelstein ("hochtendenziöser Autor") bis Alfred Grosser, in die Schranken zu weisen (Blätter für deutsche und internationale Poiltik, 4/07). Für Brumlik ist jede Kritik an der zwar auch für ihn "grundsätzlich völkerrechtswidrigen" Besatzungs- und Siedlungspolitik des Judenstaates deswegen obsolet, weil Israel unter der "genozidalen Bedrohung" der palästinensischen Hamas wie des iranischen Regimes stehe. Wer diese "Bedrohtheit" nicht verstehe, dem solle zu Recht die "heftige Feindschaft" der "Juden in Israel und in der Diaspora" entgegenschlagen.


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