© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Kursänderung
Karl Heinzen

Angela Merkel ist noch keine zwei Jahre im Amt und doch schon erkennbar aus dem Schatten ihrer beiden unmittelbaren Vorgänger herausgetreten. Dies gilt nicht zuletzt für das Gebiet der Außenpolitik. Der Vorrang des Bündnisses mit den USA ist unter ihr nicht mehr länger nur ein Lippenbekenntnis. Die Kanzlerin ist vielmehr entschlossen, den engen Schulterschluß mit Washington dadurch unter Beweis zu stellen, daß sie eine Verschlechterung der Beziehungen zu anderen bisherigen Partnern bereitwillig hinnimmt.

Hier waren Helmut Kohl und Gerhard Schröder nicht nur pragmatischer, sondern auch sentimentaler. Die Vernunft gebot ihnen zwar, sich als Atlantiker zu gerieren, doch ihr Herz war nicht bei der Sache. Noch ganz der romantischen Nachkriegsbilderwelt der die Schlagbäume an den Grenzen einreißenden Jugendlichen verpflichtet, glaubte Kohl allen Ernstes, daß allein die europäische Integration einen neuerlichen Sonderweg Deutschlands ins Verderben verhindern könnte. Die USA mochten mit ihrer Macht diesen Prozeß flankieren, zur abendländischen Wertegemeinschaft durfte man den durch und durch verdorbenen Moloch am anderen Ufer des Atlantiks aber nicht wirklich dazurechnen.

Schröder war gemäß seiner Maxime, sich nicht durch Ideen zu irgend etwas verleiten zu lassen, zwar frei von weltanschaulichen Vorurteilen gegenüber den USA, in seinem Widerspruch gegen ihren globalen Machtanspruch dafür um so unbedingter. Sein Antiamerikanismus ließ ihn als einer der maßgebenden Initiatoren der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Erscheinung treten. Mit ihr soll die EU nun langfristig auch militärisch zu einem Gegenpol zu den USA fortentwickelt werden.

Vor allem aber ist den beiden Vorgängern Angela Merkels vorzuwerfen, vor lauter Euphorie über das Ende des Kalten Krieges die fortwährende Gegnerschaft zu Rußland beharrlich ignoriert zu haben. Beide knüpften statt dessen enge Bande nach Moskau und kultivierten peinliche Männerfreundschaften mit den dortigen Machthabern Jelzin und Putin. Mit derartigem Schwulst hat es unter Merkel ein Ende. In der sachlichen Erkenntnis, daß die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von Rußlands Wohlwollen bereits unverantwortlich groß geworden ist, versucht sie nun, Berlin wenigstens politisch gegen Moskau zu positionieren. Sollte diese Kursänderung von Dauer sein, könnte auch die Bundeswehr zu ihrer klassischen Aufgabe der Landesverteidigung zurückkehren und von exotischen Auslandseinsätzen lassen.


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