© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

Lieber handeln statt quatschen
Unter Kerlen: Zum hundertsten Geburtstag des patriotischen US-Schauspielers John Wayne
Martin Lichtmesz

Im Gegensatz zu dem urbanen Humphrey Bogart (JF 3/07) ist es beinahe unmöglich, sich John Wayne in ziviler Kleidung vorzustellen. Im Laufe seiner Karriere, die fast fünfzig Jahre und über 150 Filme umfaßte, verkörperte er vor allem Westernhelden und Soldaten in zahllosen ikonischen Rollen. Hochgewachsen, athletisch und wettergegerbt, war er der Held des Abenteuers unter freiem Himmel, auf der Prärie, in der Wüste und auf hoher See. Sein lässiger Gang signalisierte unerschütterliche Selbstsicherheit. Er war niemals der weltgewandte Frauenheld wie etwa Clark Gable. Wayne behandelte Frauen mit einer beinah viktorianischen Reserve und fühlte sich merklich wohler, wenn er unter Kerlen war.

Er war vor allem für das männliche Publikum ein Ideal, die Inkarnation eines Rollenbildes, das inzwischen zur Zielscheibe der feministischen Demontage geworden ist. Ein Mann der Tat, der lieber handelte, statt zu quatschen. Wenn er aber einmal den Mund aufmachte, dann galt sein Wort, denn er war auch ein Mann der Ehre. Als Epitaph wünschte er sich einen mexikanischen Spruch: "Feo, fuerte, y formal" - "Er war häßlich, stark und würdevoll". Waynes Leinwand-Image hatte eine dezidiert patriotische Dimension. Er war der Fahnenträger eines Pathos, das vor allem aus der Pionierzeit des 19. Jahrhunderts stammte, das tatkräftig, puritanisch, republikanisch und individualistisch geprägt war: "Give me liberty or give me death!"

John Wayne empfand es als seine Pflicht, sein privates Ich mit seiner Kino-Persona in Einklang zu bringen. Er war mehr als nur ein Schauspieler, er sah sich als eine nationale Institution. Er war ein Vorbild, zu dem man aufblickte, das uramerikanische Werte für jedermann vermittelte. Der Weg dorthin war keineswegs einfach. Das fing schon damit an, daß John Wayne gar nicht "John Wayne" war. Kein Mensch nannte ihn jemals "John"- für seine Freunde war er stets "Duke". Als Marion Morrison (ein "Mädchenname"!) wurde er am 26. Mai 1907 in Winterset, Iowa, im kleinbürgerlichen Milieu geboren. Zwar versuchte sich sein Vater kurzfristig als Rancher, aber Wayne war niemals der echte Cowboy, für den ihn Millionen hielten: Ein Pferd bestieg er nur für Dreharbeiten.

Der Fahnenträger eines Pathos aus der Pionierzeit

Noch peinlicher war für Wayne, daß er nicht wie viele seiner Kollegen vom Film im Zweiten Weltkrieg gedient hatte. Der ideale Kino-G. I., der das Sternenbanner auf der Leinwand schwenkte, war zu kriegswichtig, um tatsächlich in einem echten Krieg verheizt zu werden. In Allan Dwans "Sands of Iwo Jima" (1949) war es John Wayne, der den Heldentod starb, während die tatsächlichen drei überlebenden Protagonisten der berühmten Beflaggung des Suribachi-Berges als anonyme Statisten mitwirkten.

Wayne versuchte diesen Makel an seiner Glaubwürdigkeit durch öffentliches Auftreten als Superpatriot zu kompensieren. Bis an sein Lebensende unterstützte er rechtsgerichtete Organisationen und Politiker. Er war entschiedener Befürworter der Kommunistenjagd des Joseph McCarthy ebenso wie der amerikanischen Intervention in Vietnam. An seinen Ansichten hielt er auch noch fest, als diese enorm unpopulär wurden und er nahezu das gesamte Establishment des Show-Biz gegen sich hatte.

Die politischen Verächter Waynes konnten ihm allerdings kaum den Respekt für seine ehrliche Geradlinigkeit ebenso wie für seine schauspielerischen Leistungen verwehren. Das gilt selbst für die eher linksgerichtete Generation der deutschen und französischen Cinephilen, die den Filmen von Howard Hawks und John Ford, in denen Wayne auftrat, grenzenlose Bewunderung zollte. Es war vor allem Ford, der ihm zum Starruhm und zur künstlerischen Reife verhalf.

Der Großmeister des Western hatte den um zwölf Jahre jüngeren Wayne bereits 1928 unter seine Fittiche genommen und ihm kleine Komparsenrollen gegeben. Es sollte jedoch noch ein ganzes Jahrzehnt vergehen, bis Ford seinen Schützling, der inzwischen Karriere in Aberdutzenden billig heruntergekurbelten B-Western gemacht hatte, in "Stagecoach" (Höllenfahrt nach Santa Fé, 1939) besetzte und damit für alle Zeiten in den Olymp Hollywoods hievte. Ford und Wayne drehten bis 1963 zusammen 13 Spielfilme.

Daß John Wayne ein großartiger, unterschätzter Schauspieler war, zeigt wohl am eindrucksvollsten Fords Klassiker "The Searchers" (Der schwarze Falke, 1956), in dem er den düstersten Charakter seiner Karriere spielte. Allerdings war gerade "The Searchers" ein Meilenstein auf dem Weg zum Verfall des klassischen Westerns und beeinflußte massiv die von Wayne verabscheute Generation des "New Hollywood". Seit Ende der fünfziger Jahre sickerten Themen in das US-Kino ein, die dem "gesunden" Amerikanertum zuwiderliefen, für das John Wayne stand. Mit dem Wandel gesellschaftlicher Werte geriet auch der Western in eine Krise, aus der er sich nie wieder erholen sollte. Wayne und Ford erschienen nun als Dinosaurier einer Vergangenheit, die einen nostalgischen Glanz für die einen, den Geschmack der Lüge und Geschichtsklittterung für die anderen hatte.

1960 drehte Wayne in eigener Regie das Epos "Alamo", eine Verfilmung der amerikanischen Variante der Schlacht an den Thermopylen, in der Davy Crockett und seine Männer im Kampf gegen einen mexikanischen Xerxes dem Vorbild der 300 Spartaner nachfolgen. Der naive Patriotismus, den der Film propagierte, lag am Ende der Dekade in Scherben, vor allem durch das Desaster des Vietnamkrieges. Waynes Antwort darauf war "The Green Berets" (Die grünen Teufel, 1968), der einzige Pro-Vietnam-Film, den Hollywood je produziert hat. Seine holzschnittartige Schwarz-weiß-Malerei war indessen kaum weniger verblasen und realitätsfern als die Aktivitäten prominenter Kriegsgegner wie Jane Fonda oder Joan Baez. Wayne blieb standfest, obwohl ihm der Wind des Zeitgeistes immer steifer ins Gesicht blies. Er drehte kontinuierlich Western und Action-Filme, teilweise in Rollen, für die er schon viel zu alt war. Als vom Krebs gezeichneter Revolverheld nahm er in Don Siegels "The Shootist" (Der letzte Scharfschütze, 1976) seinen würdigen Abschied von der Leinwand. Er selbst erlag einem Krebsleiden am 11. Juni 1979 in Los Angeles.

Ein Pferd bestieg er nur für Dreharbeiten

Dreißig Jahre nach seinem Tod ist Waynes Stand als amerikanische Ikone unangefochten; bei Umfragen hält er immer noch einen Top-Platz unter den beliebtesten US-Schauspielern. Der falsche Cowboy und Kriegsheld, transformiert zur Kunstfigur, strahlt weiterhin als Vermittler und Symbol des American way of life. Wie Mickey Mouse und Coca-Cola erwies er sich als eine der mächtigsten Waffen in der kulturellen Kolonialisierung des Unterbewußtseins ganzer Völker. So meinte Claudius Seidl in der FAZ am Sonntag, Wayne hätte "uns" von den "Vorbildern" "zugeknöpfter Patriarchen" "erlöst", die wie Heinrich George "ihre Emotionen unter Bergen von Fleisch versteckten und jeden Gedanken mit autoritärem Gebrüll dementierten". Waren es nicht vielmehr Hans Albers, Harry Piel, Luis Trenker und oder gar Karl Mays "Old Shatterhand", die durch John Wayne aus dem Bewußtsein verdrängt wurden? Auch als Besatzungssoldat hat er seine Pflicht gegenüber seinem Vaterland erfüllt.

Foto: John Wayne als Viehbaron und Montgomery Clift als sein Pflegesohn in Howards Hawks' Western-Klassiker "Red River" (1948)


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