© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

Katzenjammer
Daimler-Chrysler: Beispiel für die Fehler der Globalisierung
Wilhelm Hankel

Wahnsinn bei Großen darf nicht ohne Bewachung gehen." Hamlets geflügeltes Wort gilt nicht mehr dem Hof von Dänemark, sondern den Chefetagen deutscher Weltkonzerne. Die milliardenschweren Fehlinvestitionen bei Daimler-Chrysler, die mafiosen Schmiergeld- und Gewerkschaftsunterwanderungs-Zahlungen bei Siemens oder die schamlose Managerbereicherung beim der Übernahme von Mannesmann durch den britischen Vodafone-Konzern - dies alles steht nicht nur für schwarze Schafe des Systems, sondern einen formidablen Fehler im System. Die Globalisierung der Wirtschaft verleitet ihre inzwischen zumeist angestellten Akteure systematisch zur Mißachtung ökonomischer Grenzen, finanzieller Regeln und Anstandsgebote unter ehrbaren Kaufleuten.

Wo sich global players den Standort ihrer Geschäfte danach aussuchen können, wo weder Steuern, Gewerkschaften noch Rechte der Arbeitswelt "stören", wo Finanzierungsquellen frei von Kontroll-auflagen der Geld- und Bankenaufseher sprudeln, wo auch anderes erlaubt ist, was zu Hause verboten oder unter Kuratel steht, wird jeder, der solche Chancen ausläßt, zum Verlierer - unfähig für den Job eines Top-Managers.

Das Milieu der Globalisierung bringt einen Managertyp hervor, der eine schwer definierbare Mischung aus Renaissancemensch, Künstler, G'schaftlhuber, Paten und Portokassen-Greifer repräsentiert: Mal ist er mehr das eine, mal das andere. Eines wird er am allerwenigsten sein: langfristig denkend, vorsichtig, berechenbar und seriös. Bei Daimler folgte dem Künstler Edzard Reuter der Machtmensch Jürgen Schrempf - beide zusammen kosteten die Aktionäre gut 50 Milliarden Euro, die Hälfte davon fehlen dem Staat an Steuereinnahmen. Jetzt sind zur Begleichung der Endrechnung die Arbeitsplätze dran. Bei Siemens tanzte ein Figaro namens Heinrich von Pierer auf zu vielen Hochzeiten; vor lauter Geschäftigkeit konnte er nicht wahrnehmen, was seine Leute so alles trieben. Bei VW krönte sich der Clanchef ungeniert selber zum König, und bei Mannesmann bedienten sich die Liquidatoren des Unternehmens nach Gutsherrenart aus der Sterbekasse ihrer Hinterlassenschaft.

Möglich machte dies alles die Hausmeier-Bank der zerbröselnden "Deutschland-AG": Die Deutsche Bank fädelte die Deals ein oder sah weg. Die Kompaßnadel ihres 1994 verstorbenen legendären Vorstandssprechers Hermann Josef Abs: bei allem niemals die nationale und soziale Verantwortung der Deutschen Bank aus dem Auge zu verlieren, ist seinen Nachfolgern abhanden gekommen. Die Koppers, Breuers und Ackermanns fahren seit Jahren einen anderen Kurs. Nur: Jetzt folgt dem Rausch der Globalisierung der Katzenjammer. Das ist es, was den Heroen der Globalisierung zu denken geben sollte.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel lehrte Währungs- und Entwicklungspolitik an der Universität Frankfurt.


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