© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

Verdacht der Kumpanei
Bundeswehr I: Generalinspekteur Schneiderhan gerät in der Affäre um die von Verteidigungsminister Jung entlassenen Generäle Dieter und Ruwe unter Druck
Paul Rosen

Kurz nach seinem Amtsantritt, Ende Januar 2006, griff Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hart durch und feuerte zwei Generäle. Der Inspekteur der Streitkräftebasis, Hans-Heinrich Dieter, und der stellvertretende Heeresinspekteur Jürgen Ruwe sollten sich schwerer Dienstvergehen schuldig gemacht haben. Die beiden Generäle hatten Akten und Informationen über Ruwes Sohn ausgetauscht, der im Rang eines Leutnants an der Bundeswehr-Universität in Hamburg studiert und gegen den wegen angeblich rechtsradikaler Äußerungen und Zeigen des NS-Grußes ermittelt wird. Jung setzte sich als harter Macher in Szene. Nach über einem Jahr nimmt der Fall jedoch eine überraschende Wendung. Jetzt wird auch Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan schwer belastet.

Dieter und Ruwe hatten sich bis auf einige wenige Interviews, in denen sie Kritik an ihrer Behandlung übten, in Schweigen gehüllt. Beide bemühten sich - bisher erfolglos - vor Gericht um Rehabilitierung. Jung hatte kurz nach der Entlassung der beiden Generäle in einem Interview gesagt, Grund für seine Entscheidung war "der Verlust des unabdingbar notwendigen Vertrauens in die Amtsführung der beiden Generäle". Auch galt es, möglichen Schaden von der Bundeswehr abzuwenden.

Dieter stellte jetzt eine Chronik und mehrere Aufsätze zu seinem Fall ins Internet. Daraus ergibt sich ganz klar, daß er und Ruwe einen prominenten Mitwisser hatten, der von dem Gemauschel der beiden frühzeitig wußte und sich jetzt die Frage gefallen lassen muß, ob er die Angelegenheit wenigstens zu Beginn gedeckt und damit der Bundeswehr möglicherweise Schaden zugefügt hat: Schneiderhan.

Dieter gibt an, am 19. Oktober 2005 erstmals von den angeblichen Vorfällen mit rechtsradikalem Hintergrund an der Bundeswehr-Universität Hamburg auf dem Dienstweg erfahren und einen Sachstandsvermerk bekommen zu haben. Als Inspekteur der Streitkräftebasis war er für die Bundeswehr-Universitäten zuständig.

Schöngefärbte Lageberichte über den Zustand der Armee

Am 21. Oktober sprach er mit Ruwe senior über die Vorwürfe gegen dessen Sohn. "Nach dem Gespräch mit R. (Ruwe) informierte ich den Generalinspekteur über das Ergebnis und habe dabei auch zum Ausdruck gebracht, daß ich R. das Papier zur Einsicht geben wollte, um eine objektivere Basis für das Gespräch mit seinem Sohn zu schaffen. Der Generalinspekteur hat keine Meinung diesbezüglich geäußert und nichts unternommen, mich von diesem Vorhaben abzuhalten." Man muß dazu wissen, daß Schneiderhan, Dieter und Ruwe gut miteinander befreundet waren.

Auch in der nächsten Zeit informierte Dieter nach eigenen Angaben wiederholt den Generalinspekteur über die weiteren Entwicklungen und schließlich auch darüber, daß gegen ihn, Dieter, Ermittlungen wegen der Weitergabe der Akten aufgenommen wurden. Schneiderhan schwieg dazu und war zuletzt gar nicht mehr zu sprechen, wie Dieter schreibt. Am 27. Januar 2006 entließ Jung die beiden Generäle, ohne vorher ein Gespräch mit ihnen geführt zu haben.

Der ganze Vorgang wirft ein schlechtes Licht auf die politische und militärische Führungsebene des Ministeriums. Wenn die Darstellung von Dieter stimmt, dann hätten auch gegen Schneiderhan Ermittlungen aufgenommen werden müssen, weil er die Weitergabe der Akten zumindest stillschweigend geduldet hat. Dies wäre um so wichtiger gewesen, da Schneiderhan als oberster Soldat auch zugleich militärischer Berater der Bundeskanzlerin ist. So ein Mann darf nicht im Verdacht der Kumpanei stehen. Und ein Ermittlungsverfahren kann schließlich auch dazu dienen, einen Verdacht auszuräumen.

Schneiderhans Rolle in der Truppe und im Ministerium gilt schon seit langem als dubios. Der redegewandte Schwabe hat es verstanden, das Vertrauen des in militärischen Fragen weitgehend ahnungslosen Ministers zu erschleichen. Während die Soldaten im Auslandseinsatz schlecht versorgt sind und die Kasernen in der Heimat vergammeln, gibt Schneiderhan schöngefärbte Lageberichte und positive Darstellungen über den Zustand der Bundeswehr ab. Daß die gesamte Finanzierung angesichts zu hoher Verpflichtungen für große Rüstungsprojekte wie Hubschrauber, Schiffe und Flugzeuge in den kommenden Jahren zusammenbrechen wird, verschweigt er. Zugleich wird Schneiderhan ein exzellentes Verhältnis zu Jungs Vorgänger, dem heutigen SPD-Fraktionschef Peter Struck, nachgesagt. Über Struck hat Schneiderhan direkte Einwirkungsmöglichkeiten in die Große Koalition und könnte diesen Weg auch nutzen, Vorstellungen des eigenen Ministers zu hintergehen.

Jung, von der Süddeutschen Zeitung als "Minister im Praktikum" verspottet, hört allerdings nur noch auf Schneiderhan. Gegen andere Politiker und Offiziere, die ihren Rat anbieten, schottet er sich ab. Schneiderhan wiederum sorgt dafür, daß keine Information an den Minister kommt, ohne daß sie vorher über seinen Schreibtisch gegangen wäre. Von vielen negativen Vorgängen in der Truppe, nachzulesen etwa in Einsatzberichten aus Afghanistan mit der Schilderung unzumutbarer Bedingungen, erfuhr Jung erst aus der Presse.

Es gibt auf der Bonner Hardthöhe Gerüchte, die besagen, daß Schneiderhan die beiden Generäle bewußt in die Falle hat gehen lassen, um sie loszuwerden. Denn in der militärischen Führung hatte sich Ende 2005 erheblicher Unmut über die schlechte finanzielle Ausstattung der Truppe und auch über Planungen des Generalinspekteurs aufgestaut. Schneiderhan mußte Sorgen haben, daß sich Generäle an ihm vorbei an den Minister wenden würden. Das konnte er nicht riskieren. Jung jedenfalls steht zu seinem Generalinspekteur und will dessen Amtszeit bis zur nächsten Bundestagswahl verlängern. Schneiderhan wäre damit der Generalinspekteur mit der längsten Amtszeit in der Geschichte der Bundeswehr.

Welchen Charakter dieser Generalinspekteur hat, wird an einem kleinen Vorgang deutlich. Bereits in Kenntnis der bevorstehenden Entlassung von General Dieter schrieb er am 24. Januar 2006 an Dieters Ehefrau: "Liebe Marianne, meine besten Wünsche begleiten Dich in ein neues Lebensjahr voller Sonnenschein, Harmonie und Freude. Herzlichst Dein Wolfgang." Zynischer geht es nicht mehr.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen