© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

Kolumne
Die Natur will es anders
Klaus Motschmann

Die Bedeutung der christlichen Feiertage ist einem Großteil unseres Volkes - die Getauften eingeschlossen - kaum noch bekannt. Man weiß zwar, daß sie (noch) zur "sozialen Besitzstandswahrung" gehören, aber nicht mehr, daß sie einstmals ein bedeutsamer Bestandteil unserer christlich-abendländischen Tradition waren. Das trifft insbesondere für das Pfingstfest zu, dem "Geburtstag der Kirche", den die Christen am 50. Tag (griechisch: pentecoste) nach Ostern feiern.

Dabei vermittelt gerade die Botschaft des Pfingstfestes auch den "Gebildeten unter den Verächtern der Religion" (Schleiermacher) einige der sonst so beliebten "Denkanstöße" für einen Diskurs über die Zusammenhänge von Glauben, Sprache, Integration, Verschiedenheit der Völker und Kommunikation in einer multikulturellen Gesellschaft.

Das vorherrschende Argument, die Entwicklung multikultureller Gesellschaften im Laufe der vergangenen Jahrzehnte erfordere neue Antworten auf diese Probleme, überzeugt schon deshalb nicht, weil sie bereits in der christlichen Urgemeinde erkannt und benannt worden sind - unter anderem in der Pfingstgeschichte (Apostelgeschichte 2).

Sie ist die Antwort auf die damals wie heute bewegenden Fragen des friedlichen Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Volkszugehörigkeit. Sie lautet kurz und bündig: daß die Verschiedenheit der Völker und damit der Menschen überhaupt kein Hinderungsgrund für ein friedliches Neben- und Miteinander ist. Im Gegenteil: Jeder hört die Botschaft in seiner Sprache (Apg. 2,6). Es kommt eben auf die Botschaft an - und nicht auf die Sprache. Allen Bemühungen um einheitliche, gemeinsame Ordnungen und Wertvorstellungen, symbolisiert im Turmbau zu Babel (1. Mose 10), wird damit abermals eine Absage erteilt.

Selbst Immanuel Kant hatte vor der Illusion gewarnt, durch eine "Zusammenschmelzung" der vielen Völker zu einer "Universalmonarchie" die Voraussetzungen für einen "ewigen Frieden" zu schaffen. "Die Natur will es anders. Sie bedient sich zweier Mittel, um Völker von der Vermischung abzuhalten und sie abzusondern: der Verschiedenheit der Sprachen und der Religionen."

Mit diesen wenigen Bemerkungen ist der eigentliche Sinn des Pfingstfestes selbstverständlich noch nicht erfaßt; wohl aber ein bedenkenswerter Aspekt, der geeignet ist, einen Zugang zum Verständnis des Pfingstgeschehens zu schaffen - und damit zu einer entscheidenden Dimension unseres Daseins.

 

Prof. Dr. Klaus Motschmann lehrte Politikwissenschaften an der Hochschule der Künste Berlin.


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