© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/07 18. Mai 2007

"Veitstanz beginnt auf der Straße"
Wer hat die glaubwürdigeren Konzepte gegen die Globalisierung? Neomarxistisches zum deutschen "Antikapitalismus von rechts"
Dominik Henke

Die drei Buchstaben "NPD" stehen für "Nationaldemokratische" und nicht für "Nationalsozialistische Partei Deutschlands". Übelmeinende und Gedankenlose verwechseln da gern etwas.

Allerdings, so meint die Berliner Politologin Christina Kaindl, nicht ohne Grund. Denn wie nie zuvor seit Adolf von Thaddens Tagen beansprucht die Partei, die Speerspitze des "Antikapitalismus von rechts" zu bilden. Eine Auseinandersetzung mit diesem Phänomen schien Kaindl daher gerade in der jüngsten Ausgabe des linken Theorieorgans Das Argument (269/07) angebracht. Gibt sich dieses im Vorfeld des Heiligendammer G8-Gipfels plazierte Heft doch orthodox-marxistisch wie schon lange nicht mehr, um die "Dialektik des Antikapitalismus" zu verhandeln, ohne freilich zu verzichten auf rührend romantisch-utopische Alt-Herren-Hymnik, die der "wundervollen Rosa Luxemburg" gilt, die "human" und "radikaldemokratisch" gleichsetzt (Wolf-Dieter Narr) und die unverzagt die geschmolzene Anhängerschaft auf die "mögliche 'Andere Welt'", die "progressive Alternative zum Kapitalismus" (Wolfgang Fritz Haug) einschwört.

Fern von solchen Erbaulichkeiten ist Kaindl um die erstaunlich unpolemische Erfassung eines Prozesses bemüht, wie er von der Linken "erst langsam zur Kenntnis genommen" werde: Europaweit hätten sich Parteien der "extremen Rechten" von ihren vor 1989 gepflegten wirtschaftspolitischen Positionen entfernt und eine radikale Wende vom Neoliberalismus zur "Globalisierungs- und Kapitalismuskritik" vollzogen. Erinnere man sich, wie Le Pens Front National die "Befreiung der Wirtschaft", die Lega Nord den "liberalistischen Föderalismus" oder die FPÖ während ihrer nun nur noch zeithistorisch belangvollen Sturm- und Drangphase die "radikale Deregulierung der Wettbewerbsordnung" sich auf die Fahnen geschrieben hätten, werde die Schärfe dieser Zäsur deutlich. Seit 1993 trumpfe der Front National gegen den "mondialisme" als "Schutzmacht der französischen Arbeiter" auf, was zwangsläufig, wie in Italien, Dänemark und Österreich, "den Ausländer" zum "Sinnbild der Globalisierung" werden ließ.

In diesem europäischen Rahmen besetze der Antiglobalismus der NPD inzwischen den am weitesten vorgeschobenen Posten, so daß auf diese "soziale Bewegung von rechts" wieder Ernst Blochs Diktum aus den dreißiger Jahren anwendbar sei: "Veitstanz beginnt auf der Straße".

Linke Kapitalismuskritik leide an Grundwiderspruch

Analytisch, so weiß Kaindl, helfen solche verbalen Attacken freilich nicht weiter. Daher läßt sie sich reichlich unbefangen auf die über das Internet verbreitete Kampagne der Jungen Nationaldemokraten (JN) und "Freien Kameradschaften" ein (www.antikap.de). Als deren ideologischen Kern macht sie den "völkischen" oder "nationalen Sozialismus" aus. Anders als die sich um Oskar Lafontaine sammelnde Linkspartei umschiffe die NPD damit einen Grundwiderspruch linker Kapitalismuskritik. Biete sich etwa Lafontaine in seiner "Fremdarbeiter"-Rede an, die Interessen der deutschen Arbeiter zu schützen, sei dies kaum vereinbar mit dem Programm seiner Partei, das neben Drogenfreigabe auch "Freizügigkeit gegenüber Flüchtlingen" propagiere.

"Die extreme Rechte muß sich in solchen Widersprüchen nicht bewegen. Sie macht die Volksgemeinschaft als einziges Solidarprojekt stark. (...) Versorgt wird, wer zum Volk gehört." Und zwar gerade in der Ex-DDR verfange dies, wo der emanzipatorische Bezug aufs "Volk" in der Tradition der Arbeiterbewegung stärker präsent gewesen sei als in der alten BRD, wo "Volk" als "völkische" Vokabel delegitimiert wurde. Zudem habe die NPD mit diesem völkischen Verständnis der Nation erfolgreich den vom französischen Philosophen Alain de Benoist konzipierten "Ethnopluralismus" übernehmen und noch stärker "antiimperialistisch" aufladen können. Damit wäre die ideologische Zurüstung komplett, um gegen politisch wie ökonomisch gleichermaßen "raumfremde", supranationale Mächte (USA, EU, multinationale Konzerne) zu Felde zu ziehen. Eine "kohärente Begründung" im Tageskampf um die "kulturelle Hegemonie" liefere dieses Konzept allemal.

Nach Kaindls Einschätzung sei die NPD auch schon recht weit damit gekommen, die Kapitalismuskritik aus den "Traditionsbeständen der beamteten APO-Opas herauszubrechen" (Thor von Waldstein), nicht zuletzt dank der "von links beschwiegenen Widersprüche". Mit Empfehlungen für "linke Gegenstrategien" tut Kaindl sich daher schwer. Unterstützung von der Sozialdemokratie sei nicht zu erwarten, weil man in deren Reihen hoffe, den arg reduzierten "fordistischen Wohlfahrtsstaat" vor der Dampfwalze neoliberaler Globalisierung retten zu können.

Trost bietet ihr nur der "Erfolg der Linkspartei" bei der letzten Bundestagswahl. Der zeige, daß "Kritik der Sozialstaatsreformen, Globalisierung und Kapitalismus nicht per se rechts kodiert" sei. Solcherlei "Gegenstrategie" ist dann wohl eher Ausdruck "moderner" linker Genügsamkeit nach dem Motto "Heute schon auf morgen verzichten".


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen