© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/07 18. Mai 2007

Der Kampf geht weiter
Terror in Deutschland: Neue Gefahr geht von Islamisten und Linksextremisten aus - und von Schreibtischtätern
Michael Paulwitz

Dreißig Jahre nach dem "deutschen Herbst" klopft der linksextreme Terror unüberhörbar an unsere Haustür. Die RAF verläßt die Feuilletons und Gefängniszellen und mischt sich unters Revoluzzervolk auf der Straße. Eine bundesweite Razzia gegen militante Gegner des G8-Gipfels wegen Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung scheucht die Republik aus ihrer politisch-korrekten Idylle, in der Gewalt naturgesetzlich nur von bösen "Rechten" kommen kann, gegen die keine Repressionsmaßnahme scharf genug ist. Zeitgleich bereitet Innenminister Schäuble die Bürger schon mal auf islamistische Terroranschläge während des Gipfels vor. Kommt nach dem Fußball-Sommermärchen jetzt also der Terror-Alptraum?

Was immer geschehen mag - die Terrorgefahr ist hausgemacht, und die Schreibtischtäter sitzen in den linksliberalen Milieus, deren hegemonialer Anspruch auf Diskurshoheit ebenso verbohrt Staat und Gesellschaft in Kollektivhaftung nimmt, wie er individuelle Verantwortung für die Folgen des eigenen Treibens ablehnt.

2005 waren es home-grown terrorists, die vor der Kulisse des G8-Gipfels in Großbritannien die Gelegenheit zu PR-trächtigen Anschlägen in London nutzten - radikalisierte, äußerlich "integrierte" Einwandererkinder, bei denen multikulturelle Großzügigkeit offensichtlich das Gegenteil von friedlich-fröhlicher Toleranz bewirkt hat.

Daß dieselbe Gefahr auch in den verfestigten muslimischen Parallelgesellschaften in Deutschland herangereift ist, hat sich inzwischen von den vertraulichen Warnungen der Sicherheitsexperten bis in die Öffentlichkeit herumgesprochen. Daß der Schlüssel zu ihrer Abwendung nicht allein in der Sicherheits-, sondern vor allem in der Einwanderungspolitik liegt, bleibt in der Tabuzone.

Solange die Unterschichtsimmigration weitergeht, solange den jugendlichen Verlierern in den Muslim-Ghettos nicht nur von Haßpredigern, sondern auch von multikulturellen Selbsthaß-Lobbyisten weisgemacht wird, sie seien im Grunde nur Opfer einer ablehnenden "Gesellschaft", solange die eloquenten Biedermänner der islamistischen Szene mit dem Bundesinnenminister auf Augenhöhe konferieren, so lange wird auch den internationalen Netzwerkern des islamistischen Terrors das Rekrutierungspotential in Deutschland nicht ausgehen.

Nicht minder home-grown ist die Terrorgefahr von links. "Wir werden es noch erleben, daß Linksextremisten Anschläge verüben und sich dabei auf die RAF beziehen" - Konrad Freiberg, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), ist weiß Gott kein Panikmacher. Seine Warnung ist wohlbegründet. Denn zu den aktuellen Anlässen gesellen sich tiefliegende grundsätzliche Ursachen.

Das Mobilisierungspotential, das der bevorstehende G8-Gipfel für die deutsche Linke entfaltet, kommt nicht von ungefähr. Nur Naive glauben, es gehe in erster Linie um friedlichen Bürgerprotest gegen Globalisierung, Neoliberalismus und Raubtierkapitalismus. Bei Treffen der Spitzen der westlichen Industrienationen feiert die europäische Linke revolutionäre Hochämter, das gehört seit langem zum Ritual.

In Deutschland wird dabei nahtlos an linke Propagandamuster der siebziger und achtziger Jahre angeknüpft: die Scheindifferenzierung etwa zwischen vordergründig abgelehnter "aktiver Gewalt" und "passivem Widerstand" durch Blockaden, Besetzungen, gesetzwidrige Nötigung also. Oder das wohlfeile linke Argumentationsschema, nicht die Gewalttäter, sondern "der Staat", "der Polizeiapparat", der "Kapitalismus", die "imperialistischen Kriegsherren" übten Gewalt aus; was impliziert, daß die eigene Gewalt als bloß reaktiv, als vom ungerechten System provoziert verharmlost und gerechtfertigt wird.

Die Sekundanten finden sich nach Jahrzehnten des Marschs durch die Institutionen heute bis weit ins Polit-Establishment. Da ereifert sich die einstige Protestmanagerin und heutige Grünen-Chefin Claudia Roth unbekümmert um tatsächliche Sachverhalte über die "Kriminalisierung" der Protestbewegung, die nicht etwa durch die linksextreme Instrumentalisierung derselben, sondern selbstverständlich allein durch die staatlichen Gegenmaßnahmen erfolgt sei. Und die PDS diffamiert übliche Maßnahmen wie Vorbeugehaft für notorische Gewalttäter als "Spiel mit dem Feuer". Immer nach dem Motto: Wenn Revoluzzer Gewalt anwenden, ist allein der Staat schuld, der sie durch Gegenwehr provoziert, anstatt deeskalierend zu kapitulieren.

Das strategische Gejammer hat Methode. Nicht anders pflegten seinerzeit Edelliberale und Linksintellektuelle auch die Verbrechen der RAF zu rechtfertigen. Daß von den verurteilten, entlassenen oder begnadigten Terroristen keine Gefahr mehr ausgehe, wurde endgültig zum Mythos, als zwei RAF-Rentner bei den Maikrawallen der schwarzvermummten Militanten in Berlin mitmischten. "Freiheit für Christian Klar", skandierten die Autonomen, die den Beinahe-Begnadigten gerne als Integrationsfigur à la Che Guevara hätten; eingespielte linke Seilschaften sorgen dafür, daß er mit Grußworten in diese Rolle hineinwachsen kann. Zudem gibt es Hinweise, daß die bisher mit Bezug auf den G8-Gipfel verübten Brandanschläge von Gruppen ausgingen, die sich aus Mitgliedern der RAF-Sympathisantenszene gebildet haben. Offensichtlich ist die RAF noch lange kein historisches Phänomen, über das man nur folgenlos feinsinnig in Feuilletons parlieren könnte.

Der Terror von links ist nicht plötzlich wiederauferstanden - er war immer vorhanden und wurde nur zu gern übersehen. Während auch die Sicherheitsbehörden hinter jeder pubertären Gewaltphantasie halbstarker Neonazi-Stammtische staatsgefährdende Terrorstrukturen witterten, konnten linksextreme Gewalttäter sich als Exekutoren des "Aufstands der Anständigen" fühlen, auf milde Richter und verständnisvolle Kommentatoren hoffen und bisweilen sogar ihre Taten literarisch überhöht nachlesen oder -hören.

Terrorismus kann nur gedeihen, wenn der Terrorist sich "wie ein Fisch im Wasser" in ihm wohlwollend gesonnenen Milieus bewegen kann, die ihm Rückzugs- und Vorbereitungsräume bieten. Gefährlich ist nicht die Tatsache an sich, daß es militante Linksextreme gibt; viel bedrohlicher ist der Chor der Verharmloser und heimlichen Förderer im linken und linksliberalen Establishment. Bleibt der Kampf gegen den hausgemachten Terror allein der Polizei überlassen, ist er nicht zu gewinnen. Entscheidend ist, seinen klammheimlichen Sympathisanten die Diskurshegemonie streitig zu machen.


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