© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/07 11. Mai 2007

UMWELT
Das Ländle ohne Haselhuhn
Volker Kempf

In Baden-Württemberg wird man einen Vogel ab sofort nicht mehr erspähen können, weil er dort ausgestorben ist: das Haselhuhn. Das fasanenartige Tier, das in jungen Mischwäldern Bayerns und der Vogesen noch vorkommt, ist kein Einzelfall. Denn in den vergangenen dreißig Jahren sind im "Ländle" auch die Sumpfrohreule, die Blauracke, der Große Rohrdommel und der Brachpieper ausgestorben. Im Klartext heißt das: Die Stuttgarter Landesregierung tut zu wenig für die EU-Vogelschutzgebiete. Denn an fachlichem Wissen kann es nicht liegen. So fand rechtzeitig vor zehn Jahren in Freiburg im Breisgau eine Fachtagung über das Auerhuhn und Haselhuhn in einer mitteleuropäischen Kulturlandschaft statt. Hier wurden Ansatzpunkte, Perspektiven und Konflikte bei der Umsetzung von Schutzkonzepten herausgearbeitet.

Es ist gut und richtig, wenn die Naturschutzverbände Nabu, BUND und LNV anläßlich des in Baden-Württemberg ausgestorbenen Haselhuhnes eine bessere Befolgung der EU-Vogelschutzrichtlinie fordern. Aber an die Ursache des Problems reicht das nicht heran. Denn Baden-Württemberg hat von 1966 bis 2005 zwei Millionen Einwohner hinzugewonnen. Vom gestiegenen Pro-Kopf-Flächenbedarf noch nicht zu reden. Das erhöht den Bevölkerungsdruck auf die Ökosysteme weiter. Aber auch in Baden-Württemberg wird 2025 aus demographischen Gründen die Wohnungsnachfrage zurückgehen. Feld, Flur und Wald werden im deutschen Südwesten nicht verschwinden, aber bis dahin der Bevölkerungsdruck zunehmen. In diese Wunde müßten Naturschutzverbände ihre Finger legen, wollen sie nicht nur Naturkosmetik betreiben. Nicht immer ist die Regierung für alles allein verantwortlich zu machen.


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