© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/07 11. Mai 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Sarkozys Kurs ist ungewiß
Andreas Mölzer

Nicolas Sarkozy war nach eigenem Bekunden sein ganzes Leben ein Europäer. Welchen europapolitischen Weg der künftige Präsident Frankreichs beschreiten wird, muß sich jedoch erst weisen. Insbesondere der Türkeibeitritt und die Wiederbelebung der EU-Verfassungsleiche werden der Glaubwürdigkeitstest für den Nachfolger Jacques Chiracs sein.

Nur allzugut ist die Forderung Sarkozys im Wahlkampf in Erinnerung, daß Europa Grenzen brauche und daß er deshalb gegen einen EU-Beitritt der Türkei eintreten werde. Hier werden Erinnerungen an den Bundestagswahlkampf 2005 wach, als Angela Merkel unermüdlich eine privilegierte Partnerschaft mit Ankara predigte. Als sie dann Kanzlerin wurde, folgte die CDU-Chefin jedoch brav den Anordnungen der Brüsseler Erweiterungsfanatiker, für die die EU-Aufnahme dieses islamischen Landes längst beschlossene Sache ist.

Wenn Sarkozy "aufrichtig an Europa glaubt", dann ist er gut beraten, sich den Vorgaben der EU-Polit-Nomenklatura zu widersetzen. In diesem Zusammenhang wäre es wünschenswert, wenn er als eine seiner ersten Amtshandlungen als neuer französischer Präsident den sofortigen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit Ankara fordert. Schließlich stellt die Türkei, die zwischen einem drohenden Militärputsch und einer fortschreitenden Islamisierung hin- und hertaumelt, täglich unter Beweis, daß sie alles andere als europareif ist.

Mehr als aufklärungsbedürftig ist auch die Haltung Sarkozys zur EU-Verfassung. Bislang ist nur bekannt, daß er das vor zwei Jahren von den Franzosen abgelehnte Regelwerk durch einen "vereinfachten Vertrag" ersetzen will, der von der Nationalversammlung ratifiziert werden soll. Was schön klingt, erweist sich bei genauerer Betrachtung als äußerst problematisch. Denn der "vereinfachte Vertrag" soll die Kernbereiche der gescheiterten EU-Verfassung - allen voran den Abbau des Einstimmigkeitsprinzips und die stärkere Gewichtung der großen EU-Staaten bei den Abstimmungen - beibehalten.

Aus der Sicht der Grande Nation ist dies durchaus nachvollziehbar, schließlich bedeutete ein Inkraftsetzen der zentralen institutionellen Regeln des Verfassungsvertrages eine deutliche Steigerung des politischen Gewichts der großen EU-Staaten. Umgekehrt aber verlören kleinere Länder wie Österreich, die in der Europäischen Union die Mehrheit bilden, de facto das Recht, durch ein Veto ihre nationalen Interessen zu verfolgen. Als Folge dessen müßten sie sich unter ein Diktat der "Großen" begeben und wären von der künftigen Gestaltung der EU weitgehend ausgeschlossen.

Ambivalent ist auch Sarkozys Stellung zur Globalisierung: So meinte er einerseits, Europa müsse vor allem für die Europäer da sein und die EU dürfe nicht zu einem Trojanischen Pferd einer auf Kapital- und Produktmärkte reduzierten Wirtschaftsordnung werden. Andererseits wurde der künftige Hausherr des Élysée-Palastes nicht müde, seine Verbundenheit mit den USA, dem Mutterland und Hauptnutznießer der Globalisierung, zu betonen. Europa und die Europäer haben also größtes Interesse daran, so schnell wie möglich zu erfahren, was sie von Sarkozy erwarten können, der in den kommenden fünf Jahren einer der mächtigsten Politiker in der EU sein wird.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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