© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/07 11. Mai 2007

Deutschland und der verkümmerte Kinderwunsch
Geburtenrate: Eine Allensbach-Studie zeigt, warum in Frankreich weit mehr Nachwuchs zur Welt kommt als hierzulande / Angst vor materiellen Einbußen
Marcus Schmidt

Der Unterschied ist eklatant: Obwohl Frankreich mit gut 60 Millionen Einwohnern 22 Millionen Bürger weniger zählt als Deutschland, werden im Nachbarland deutlich mehr Kinder geboren: 2005 erblickten hierzulande 686.000 Kinder das Licht der Welt, in Frankreich waren es dagegen 807.400 (JF 15/07).

Grund genug, angesichts der akuten demographischen Krise den Ursachen auf den Grund zu gehen. Das Meinungsforschungsinstitut Allensbach hat im Auftrag der Bild der Frau in einer länder-
übergreifenden Studie die Einflußfaktoren auf die Geburtenrate in Deutschland und Frankreich untersucht. Hierzu wurden in beiden Ländern jeweils rund 1.000 Personen zwischen 16 und 49 Jahren befragt.

Während in Frankreich die Kinderlosigkeit zumeist eine Durchgangsstation sei, habe sie in Deutschland teilweise den Stellenwert eines Lebensentwurfes erreicht, sagte die Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher in der vergangenen Woche bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder: In Frankreich blieben zehn Prozent der Einwohner (eines Jahrganges) dauerhaft kinderlos, in Deutschland seien das mittlerweile fast 30 Prozent. Davon habe sich ein Viertel bewußt für ein Leben ohne Nachwuchs entschieden.

Grund hierfür ist auch die Angst vor materiellen Einbußen. So rechnen 78 Prozent der kinderlosen Deutschen damit, daß sich ihre finanzielle Situation nach der Geburt eines Kindes verschlechtert, 53 Prozent von diesen Bedenkenträgern fürchten gar eine deutliche Verschlechterung. Die französischen Kinderlosen machen sich da weit weniger Sorgen: 54 Prozent erwarten, daß sie weniger Geld zur Verfügung haben ("deutliche Verschlechterung": 33 Prozent). Auffallend ist, daß nur 46 Prozent der deutschen Männer den Sinn ihres Lebens darin sehen, Kinder großzuziehen, während es bei den deutschen Frauen 56, bei den Französinnen 61 und bei den französischen Männern 57 Prozent sind. Allgemein legen die Deutschen der Umfrage zufolge die Latte für die Entscheidung für Nachwuchs höher als ihre Nachbarn jenseits des Rheins. So soll nach den Vorstellungen von 71 Prozent der Befragten vor der Geburt des ersten Kindes einer der beiden Partner beruflich in einer gesicherten Stellung sein (Frankreich: 62 Prozent). Daß sich beide sicher sein sollten, den Partner für das Leben gefunden zu haben, denken 67 Prozent der Deutschen (Frankreich: 48 Prozent).

Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) schloß aus den Zahlen der Studie, daß der Kinderwunsch in Deutschland verkümmert ist - und pries als ein Gegengift den von ihr geplanten Ausbau der Krippenplätze.


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