© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/07 04. Mai 2007

Frisch gepresst

Der Technikkaiser. Eigenartig, aber nur drei deutsche Staatsführer des 20. Jahrhunderts lassen sich wie selbstverständlich mit moderner Technik assoziieren: die beiden mit Volkswagen innig verbundenen Kanzler Hitler und Schröder und der Förderer des Flottenbaus, Kaiser Wilhelm II. Männer wie Brüning oder Adenauer, Stresemann oder Kohl wirken dagegen wie Spaziergänger, Stubenhocker, Eisenbahnfahrer, die glauben, mit jedem Telefonat ein technisches Abenteuer durchlebt zu haben. In seiner Monographie über "Wilhelm II. und die Moderne" (Der Kaiser und die technisch-industrielle Welt. Schöningh Verlag, Paderborn 2007, gebunden, 330 Seiten, Abbildungen, 34,90 Euro) führt uns Wolfgang König den letzten Hohenzollernherrscher als einen Dynamiker von Gnaden vor, den man, ungeachtet seiner vielfach verspotteten Vorliebe für bunt berockte Kostümierung, wirklich nicht wie seinen Großonkel als "Romantiker auf dem Thron" abtun darf. König leuchtet alle seine "technikpolitischen Handlungsfelder", von Luftfahrt und Funk zu Wasser, Wissenschaft und Großforschung aus, um zu resümieren, daß ausgerechnet dieser Mann mit dem Hang zu vorzeitlicher Rhetorik ein bedeutender Schrittmacher bei der Entwicklung des Deutschen Reiches zum Industriestaat war.

Lübbes Welt. Grob geschätzt, hat der 1926 in Ostfriesland geborene Philosoph Hermann Lübbe dreißig Bücher sowie vielleicht tausend Aufsätze und Presseartikel veröffentlicht. Da können Wiederholungen nicht ausbleiben. Da Lübbe aber über polemisches Talent verfügt, pointiert zu formulieren versteht und sich zumeist kurz faßt, darf er stets auf ein dankbares Publikum rechnen. Sicher liest es auch seine nochmals zwischen zwei Buchdeckel gepreßten Reflexionen "Über beschwiegene und historisierte Vergangenheiten" (Vom Parteigenossen zum Bundesbürger. Wilhelm Fink Verlag, München 2007, broschiert, 143 Seiten, 16,90 Euro), mit denen er im westdeutschen Idyll der achtziger Jahre durch die linksliberale "Decke des Correctness-Schaums" (Lübbe) stieß, gern wieder nach. Dem Büchlein ist ein Interview mit dem Berliner Politologen Jens Hacke angefügt, in dessen Dissertation der Züricher Denker jüngst zum Wortführer der "Philosophie der Bürgerlichkeit", zum Hegel unseres Zeitalters, stilisiert wird (JF 12/07) - nur daß diesmal nicht in Preußen, sondern in der BRD das Vernünftige wirklich geworden sein soll.


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