© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/07 04. Mai 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
In fremdem Interesse
Andreas Mölzer

Beim EU-USA-Gipfel am Montag schienen die Differenzen vergessen. Die menschenrechtswidrigen Zustände im Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba waren ebensowenig ein Thema wie die illegalen CIA-Flüge, bei denen manche EU-Staaten eine zweifelhafte Rolle spielten. Statt dessen unterzeichneten die EU-Ratsvorsitzende Angela Merkel und Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso ein Rahmenankommen über die Errichtung einer "transatlantischen Wirtschaftsgemeinschaft". Der Abbau der beiderseitigen Handelsschranken bringe Europa angeblich mehr Wohlstand und Wachstum.

Entgegen den Vorstellungen der "Transatlantikerin" Merkel wird sich aber bei der Verwirklichung der "transatlantischen Wirtschaftsgemeinschaft" das bestehende Abhängigkeitsverhältnis Europas gegenüber den USA noch weiter verstärken. Denn durch eine enge Verzahnung der beiden Wirtschaftsblöcke erhält Wa­shington die Möglichkeit, Druck auf die EU auszuüben, wenn diese nicht artig den Befehlen des selbsternannten Weltpolizisten Folge leistet. Damit verlöre Europa nicht nur die letzten Reste seiner außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit, sondern müßte auch die einseitige und verheerende Nahostpolitik der USA mittragen.

Nur allzu schnell könnte dann die EU für die islamische Welt neben dem "großen Satan" USA zum "kleinen Satan" avancieren, was für Europa fatale Auswirkungen hätte. In diesem Zusammenhang ist nur an die Abhängigkeit von den Erdölquellen des Nahen Ostens, die geographische Nähe zu diesem Pulverfaß oder an die Millionen von moslemischen Zuwanderern in den EU-Ländern zu denken, die dann noch stärker radikalisiert werden könnten.

Eine "transatlantische Freihandelszone" (Tafta), die das große Ziel ist, wäre das Eldorado, von dem die internationalen Großkonzerne und die Hochfinanz schon seit langem träumen. Die EU würde zum willigen Erfüllungsgehilfen der Globalisierung nach US-Vorbild. Waren, Kapital, Dienstlungen und Arbeitsplätze könnten nach Belieben zwischen beiden Seiten des Atlantik verschoben werden. Daß bei dieser masonischen Sichtweise weder Platz ist für die Menschen, die um ihre Arbeitsplätze bangen, noch für die Nationalstaaten, die als lästiger Hemmschuh angesehen werden, liegt auf der Hand. Dabei wäre die Brüsseler Polit-Nomenklatura gut beraten, die Interessen der europäischen Völker und der Bürger in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken, zumal der Primat der Wirtschaft eine der Hauptursachen für den zunehmenden EU-Verdruß ist.

Insgesamt liegt somit im dunklen, worin der von Merkel & Co. so gepriesene Vorteil einer Tafta für Europa eigentlich liegt. Aufklärungsbedürftig sind aber auch die Hintermänner dieses Vorhabens. Denn immerhin arbeiten einschlägige US-Denkwerkstätten wie das Transatlantic Policy Network schon seit dem Ende des Kalten Kriegs weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit eifrig daran, Europas Vasallenschaft zu festigen und damit unumkehrbar zu machen.

Weil aber Umfragen zufolge die Mehrheit der europäischen Völker mit Ausnahme der Briten eine größere Unabhängigkeit von den USA anstrebt, sollen die Bürger wie in Sachen EU-Verfassung und Türkeibeitritt vor vollendete Tatsachen gestellt werden.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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