© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/07 27. April 2007

Mobilmachung der Aufklärer
Giordano-Bruno-Stiftung rüstet zum Kulturkampf
Daniel Körtel

Egal, ob die vielfach ausgerufene "Renaissance des Religiösen" ein Trugbild ist oder echte Trendwende, sie ruft automatisch Gegenkräfte auf den Plan. So beispielsweise im Wissensmagazin der Zeit. Dort erschien vor einiger Zeit ein Essay des Philosophen Michael Schmidt-Salomon, in welchem er den Dekalog, die Zehn Gebote des Alten Testaments, einer scharfen Abrechnung unterzieht. So erkennt Schmidt-Salomon in den Zehn Geboten nur noch reaktionäre Relikte "eines glücklicherweise überwundenen patriarchal-autoritären Herrschaftssystems", die mit Humanität, Menschenrechten, Demokratie und Meinungsfreiheit wenig zu tun hätten.

Schmidt-Salomon steht nicht allein, sondern ist Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung. Benannt nach dem Dominikanermönch, der 1600 wegen seiner radikalen Kirchenkritik verbrannt wurde, hat sich die 2004 gegründete Stiftung zum Ziel gesetzt, "attraktive säkulare Alternativen" auf der Basis der naturalistischen Wissenschaften zu entwickeln und anstelle der Religionen durchzusetzen. Der Hirnforscher Wolf Singer, die Soziologin Necla Kelek, der Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera sowie der Kinderbuchautor Janosch sind nur einige von vielen prominenten Namen, die dem Stiftungsbeirat angehören.

Irrationale Angst vor religiösen Menschen

In den drei Jahren ihres Bestehens hat sich die Giordano-Bruno-Stiftung bereits als bedeutende "Denkfabrik" des Atheismus in Deutschland etabliert. Kurz nach Gründung erfolgten die Anerkennung der Gemeinnützigkeit und die Eröffnung der stiftungseigenen Akademie. Im gleichen Jahr erregte sie öffentliche Aufmerksamkeit mit der Forderung nach Gründung eines "Zentralrats der Konfessionsfreien in Deutschland". Wie wenig man sich vom aus der Aufklärung abgeleiteten Toleranzgedanken leiten läßt, belegte die Teilnahme an einer provokativen Gegenveranstaltung zum Weltjugendtag der Katholiken in Köln, bei der eine "religionsfreie Zone" ausgerufen wurde.

Die von der Stiftung herausgegebene Broschüre "Zehn Gebote? Zehn Angebote!" wird Schulen kostenlos als Unterrichtsmaterial offeriert. In ihr wird dargelegt, warum die Annahme der biblischen Zehn Gebote als ethischer Maßstab nur als Ausdruck einer "katastrophalen Fehlbildung" zu erklären ist. Weiteres wichtiges Schrifttum ist das von Schmidt-Salomon verfaßte umfangreiche "Manifest des evolutionären Humanismus". In seinem Anspruch als "zeitgemäße Leitkultur" wird das Manifest mehr als deutlich: Es geht nicht um die moderne Weiterentwicklung einer antiken Philosophie, sondern die Etablierung des Humanismus als Ersatzreligion! Trotz aller Polemiken, allein schon wegen der fachlichen Breite dieses Manifests wären die Theologen gut beraten, der kritischen Auseinandersetzung damit nicht aus dem Weg zu gehen.

Irrationale Angst vor religiösen Menschen insbesondere christlicher Denomination vereint mit einem erschreckenden Mangel an Differenzierungsvermögen, die Dogmatisierung der eigenen Position und die kämpferische Unduldsamkeit gegenüber religiösen Bekenntnissen sind die Kennzeichen dieses säkularen Fundamentalismus der Aufklärung, in dessen Namen die Giordano-Bruno-Stiftung mobil macht. Als Alternative zum religiösen Glauben empfiehlt sie Wissenschaft, Kunst und Philosophie für alle. Doch was wäre die Wissenschaft ohne die Physik Newtons, der seine Forschung zur Verherrlichung Gottes betrieb. Was wäre die Kunst ohne Michelangelos Fresken mit ihren biblischen Motiven. Und was wäre die Philosophie ohne Kant, für den seine christliche Überzeugung eine wichtige Grundlage seiner Weltanschauung war.


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