© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/07 27. April 2007

Ein Geächteter setzt sich durch
Urteil: Nachdem er sich sieben Jahre gegen den Verdacht wehren mußte, er sei Rechtsextremist, darf der Berliner Lehrer Karl-Heinz Schmick wieder unterrichten
Christian Dorn

Durch einen Richterspruch in Berlin wurde vergangene Woche an die Spätfolgen jenes ideologischen Furors erinnert, der Deutschland im zehnten Jahr nach der Wiedervereinigung - unter der Losung "Aufstand der Anständigen" - heimgesucht hatte. Am 7. Dezember 2000 war der am renommierten Gymnasium Steglitz unterrichtende Studienrat Karl-Heinz Schmick (heute 58) vom Dienst suspendiert worden (JF 26/05).

Grundlage hierfür bildete der bloße Verdacht auf rechtsextreme Gesinnung. Anlaß war ein im Mai 2000 an der Schule kursierendes anonymes Flugblatt, dessen Urheber bis heute unbekannt sind. Darin wurde dem Geschichts- und Erdkundelehrer unterstellt, in seinem Unterricht den Holocaust relativiert, die Verbrechen der Wehrmacht verharmlost und sich rassistisch geäußert zu haben. Ein Jahr später, am 17. Mai 2001, wurde das Disziplinarverfahren gegen Schmick eröffnet, dessen Ziel es war, ihn aus dem Schuldienst zu entfernen. Da jedoch alle "Anklagepunkte" unbewiesen blieben oder sich gar als Verleumdungen herausstellten, sprach das Verwaltungsgericht Schmick im Juni 2005 frei von dem Vorwurf, "Rechtsextremist" zu sein oder den Holocaust relativiert zu haben. Allerdings warf ihm das Gericht vor, leichtfertig einen solchen Eindruck erweckt und damit dem Ansehen der Lehrerschaft geschadet zu haben. Als Strafe sollte ihm für die Dauer eines Jahres das Gehalt um zehn Prozent gekürzt werden. Beide Seiten, sowohl die Schulbehörde wie auch Schmick, hatten Berufung eingelegt.

Jetzt wurde mit dem Entscheid des Disziplinarsenats am Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Da gegen dieses eine Revision unzulässig ist, darf der Geschichts- und Erdkundelehrer Schmick theoretisch ab sofort wieder unterrichten - praktisch allerdings nicht. Denn auf dem Höhepunkt der Affäre hatte das Schulamt versucht, Schmick auch auf psychiatrischem Weg auszuschalten. So hatte der Lehrer eine Vorladung zur amtsärztlichen Untersuchung erhalten, durch die geprüft werden sollte, ob er psychisch überhaupt dienstfähig sei. Eine ungeheuerliche Insinuation. Sämtliche über ihn eingeholten dienstlichen Beurteilungen, so Schmick gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, seien gut oder besser gewesen, man habe ihn sogar für eine Schulleiter-Stelle als geeignet befunden.

"Nur noch aus dem Schulbuch vorlesen"

Vor Gericht erwirkte er eine einstweilige Aussetzung der amtsärztlichen Untersuchung. Aufgrund dieses noch schwebenden Verfahrens (VG 7A24.03) sieht Schmick derzeit noch keine Veranlassung, wieder in den Unterricht zurückzukehren. Schließlich könne von einem, den man für "nicht dienstfähig" hält, nicht verlangt werden, einfach so in den Schuldienst zurückzukehren.

Einen Ausweg aus der vertrackten Lage erwartet Schmicks Anwalt Torsten Hippe von Berlins neuem Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD), der in dieser Causa vollkommen unbelastet sei - im Unterschied zu seinem Vorgänger Klaus Böger (SPD). Deswegen geht Hippe davon aus, daß die Senatsverwaltung für Bildung den Bescheid zur amtsärztlichen Untersuchung wegen angeblich psychischer Beeinträchtigung zurücknehmen wird.

Nicht gerade erleichtert wird die Situation durch die Einlassungen von Thomas Gey, dem Direktor des Gymnasiums Steglitz, wo Schmick formell noch immer angestellt ist. Gey bedauerte nach dem OVG-Urteil, daß es kaum möglich sei, "ungeeignete Lehrer einer anderen Tätigkeit zuzuführen". Immerhin erfüllt eine solche Erklärung, die Herabsetzung eines Kollegen, den Tatbestand eines Dienstvergehens.

Ungesühnt bleibt bislang auch die Kampagne der "Elterninitiative für Politisches Denken", die seinerzeit die Denunziation Schmicks maßgeblich mit befördert hatte, nicht zuletzt durch einen Brandbrief des TV-Moderators Günther Jauch, der zu jener Zeit ein Kind an dieser Schule hatte. In einem Zeitungsbeitrag hatte Jauch vor Schmick gewarnt und auf die Frage, ob er denn mit Schmick geredet habe, kurz geantwortet: "Mit solchen Leuten rede ich nicht!"

Problematisch ist die vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätigte Auffassung, derzufolge bereits der Eindruck eines Dienstvergehens, selbst wenn sich dieses nicht belegen läßt, disziplinarrechtlich geahndet werden kann. Die Folgen für den Geschichtsunterricht kann man nur ahnen. Das Fazit von Studienrat Schmick ist simpel: "Lehrer dürften nur noch aus dem Geschichtsbuch vorlesen."


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