© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/07 20. April 2007

Mission: Impossible
Film I: Tom Cruise will Stauffenberg darstellen
Thorsten Hinz

Der US-amerikanische Mega-Star Tom Cruise (44) wird in dem geplanten Stauffenberg-Film "Valkyrie" die Titelrolle übernehmen, die ursprünglich mit dem deutschen Schauspieler Thomas Kretschmann besetzt werden sollte. Regie führen wird Bryan Singer ("X-Men", "Superman Returns"), das Drehbuch stammt von Chris McQuarrie, der bereits für Singers Erfolgsfilm "Die üblichen Verdächtigen" das Skript verfaßt hat. Nun also will Hollywood die Deutschen lehren, was es mit "Walküre", der Verschwörung vom 20. Juli 1944, auf sich hatte und was sie von ihr zu halten haben.

Warum ist diese Vorstellung erschreckend? Gewiß nicht, weil Cruise, wie die FAZ moniert, Scientologe ist und seine frühere Produktionsfirma Paramount ihm deshalb gekündigt hat. Die Eignung eines Künstlers wegen dessen Charakter oder Religions- bzw. Sektenzugehörigkeit zu bestreiten, ist denunziatorisch und in diesem Fall auch noch falsch. Denn was immer man von Scientology hält, die Festigkeit, mit der Tom Cruise dem öffentlichen Druck standhält und zu seiner Überzeugung steht, hat etwas Imponierendes und wäre sogar geeignet, ihn für die Stauffenberg-Rolle zu prädestinieren.

Doch reichen seine darstellerischen Fähigkeiten aus, um der Komplexität eines Stauffenberg und der Situation, in die er hineingestellt war, gerecht zu werden? Cruise sieht - wie Stauffenberg - blendend aus, er ist ein großartiger Action-Darsteller, aber den Nachweis des Charakterschauspielers, der die Abgründe historischer und persönlicher Tragik auslotet, ist er schuldig geblieben. In Stanley Kubricks "Eyes Whide Shut" zum Beispiel stolpert er als tumber Knabe durch eine unverstandene Handlung und wird von Nicole Kidman, seiner Ex-Ehefrau, in niederschmetternder Weise an die Wand gespielt.

Damit kommen wir zum strukturellen Problem: Cruise ist die Galionsfigur einer auf Perfektion abgestellten Filmindustrie, die eine Art kultureller Weltherrschaft erlangt hat, indem sie die Weltgeschichte und Menschheitsmythen in eingängiger Weise darstellt und deutet. Der Preis der globalen Massenkompatibilität besteht in ihrer Simplifizierung und Nivellierung und in der Enteignung der Geschichten anderer.

Sowenig die Geschwister Scholl deutsche Swingkids waren, die Amerikaner werden wollten und Hitler vor allem haßten, weil er sie daran hinderte, ist Stauffenberg als Western- oder Action-Held zu begreifen. Der ihm zugeschriebene Ruf vor dem Erschießungskommando: "Es lebe das geheime Deutschland", wird nur verständlich, wenn der geistige Kosmos des George-Kreises angedeutet wird. Das ist von einem "Superman"-Regisseur genausowenig zu erwarten wie die Einfühlung in die Situation des deutschen Widerstands, der gefangen war in einem Viereck aus Illusionen, der Gefahr des Schafotts, Stalins Vernichtungskrieg und anglo-amerikanischen Tabula-rasa-Phantasien.

In Fontanes Roman "Vor dem Sturm" heißt es: "Es fehlt uns nicht an Geschehenem, kaum an Geschichte, aber es fehlt uns der Sinn für beides." Deutschland hat von allen Ländern im 20. Jahrhundert die dramatischste Geschichte gehabt, aber es besitzt - von Ausnahmen abgesehen - die läppischste Filmproduktion. Ein universelles Schuldsyndrom ist Teil des Selbst geworden und sondert Gesinnungskitsch ab. Auch verfügt es über keine finanzstarke Filmindustrie. Der oktroyierte Kulturföderalismus erweist sich hier als nationaler Fluch.

Foto: Tom Cruise in dem Film "The Last Samurai" (2003): Ehre, wem Ehre gebührt


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