© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/07 13. April 2007

Frisch gepresst

Pisa. Ihr Name dürfte wohl für unabsehbare Zeiten mit der bundesdeutschen Bildungsmisere verknüpft sein. Nur die davon nicht betroffenen älteren Semester unter uns assoziieren mit der einst blühenden toskanischen Seestadt vielleicht noch Rudolf Borchardts Großessay ("Pisa. Ein Versuch", 1938). Der Hallenser Doktorand Marc von der Höh begab sich also topographisch wie historisch auf versunkenes Terrain, wenn es ihn ins Pisa des 11./12. Jahrhunderts zurückzog. Entstanden ist eine archäologische Feinarbeit über "Erinnerungskultur und frühe Kommune" (Formen und Funktionen des Umgangs mit der Vergangenheit im hochmittelalterlichen Pisa 1050-1150, Akademie Verlag, Berlin 2007, gebunden, 529 Seiten, Abbildungen, 69,80 Euro), die den augenblicklich so beliebten Diskurs über "Gedächtnispolitik" in geradezu exotische Gefilde verlegt. Von der Höh erhebt nicht den Anspruch, erklären zu können, warum "Erinnerungsstiftung" auch in diesen fernen Zeiten "eine notwendige Arbeit an den mentalen Grundlagen der Kommune" war. Er rekonstruiert aber ihre zentrale Botschaft: die Selbststilisierung "zur Stadt der Heidenkämpfer". Und dieses in zahlreichen Kämpfen gegen die moslemischen Sarazenen beglaubigte "Identifikationsangebot" ging einher mit dem gleichzeitigen Verschweigen "der Konfliktlinien in eigenen Reihen".

Ernst Jünger. In der Heftreihe "Menschen und Orte" der Berliner Edition E. A. Fischer ist im Januar 2007 ein Bändchen über "Ernst Jünger in Wilfingen" erschienen (32 Seiten, 46 Abbildungen, 6 Euro). Der Text des Verlegers Bernd Erhard Fischer bietet eine biographische Skizze, die den bekannten Bogen spannt vom kurzen Abenteuer in der Fremdenlegion bis zur "Hofhaltung" in der Wilfinger Oberförsterei, die Jünger seit 1950 bewohnte. Auf den von seiner Gattin geschossenen Fotos von Haus, Garten und Bibliothek ist auch, als Reiseandenken, der Panzer einer Meeresschildkröte zu entdecken, die der gewöhnlich auf Käfer spezialisierte "Anarch" wohl in den sechziger Jahren noch unbeanstandet durch die Zollkontrolle bringen konnte.

Ostpreußen. Der im ostpreußischen Lyck geborene Schriftsteller Siegfried Lenz schaffte 1955 mit dem Erzählband "So zärtlich war Suleyken" seinen Publikumsdurchbruch. In humorigen, teils etwas skurrilen Anekdoten aus dem südöstlichen Winkel Ostpreußens gelang es ihm, Menschen und Landschaft sympathisch zu porträtieren. Kersten Radzimanowski, der sich bereits mehrfach dem ostpreußischen Oberland publizistisch näherte (JF 25/05 und 14/06), hat nun aus seiner Lieblingsregion rund um die alte Herder-Geburtsstadt Mohrungen einen Reigen aus etwa sieben Dutzend Sagen und Geschichten vorgelegt, der in ähnlich bildhafter Weise wie die Schilderungen aus dem masurischen Grenzort Suleyken den Charakter dieser jahrhundertealten deutschen Gegend erschließt. Zusätzlich leistet Radzimanoski auch einen wichtigen Beitrag zur Überlieferung dieses infolge der Vertreibung nach 1945 gefährdeten Kulturguts (Der Alf von Venedien. Sagen und Geschichten aus Ostpreußens Oberland. Selbstverlag, Eggersdorf 2006, gebunden, 224 Seiten, Abbildungen, 37 Euro).

Felsennest. Mit einer ungeheuer aufwendigen und reich illustrierten Arbeit stellt Hans-Josef Hansen "das vergessene Führerhauptquartier in der Eifel" vor, in dem Hitler während des Westfeldzuges im Mai und Juni 1940 der erfolgreichen Umsetzung seines präferierten Sichelschnitt-Planes harrte. Nach dem Sieg gegen Frankreich als Ort für "Erinnerungsfahrten in sein schönstes Quartier" geplant, mußte der umfangreiche Bunkerkomplex 1944 wieder als Befehlsstand unter General Walter Model seinen Zweck erfüllen, bevor die Alliierten ihn nach 1945 zerstörten (Felsennest. Helios Verlag, Aachen 2006, gebunden, 191 Seiten, Abbildungen, 32,50 Euro).


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