© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/07 13. April 2007

Allzweckfarbe
Politische Zeichenlehre XX: Orange
Karlheinz Weissmann

Nach Auflösung des Parlaments durch den ukrainischen Präsidenten Juschtschenko hieß es in einer Schlagzeile "In Kiew wieder Orange gegen Blau". Mit Blau waren die prosowjetischen Kräfte gemeint, mit Orange die prowestlichen, die durch die "orangene Revolution" vom Herbst 2004 die autoritäre Staatsführung der Ukraine gestürzt hatten. An den USA orientierte Bewegungen traten bald darauf in allen möglichen Staaten unter diesem Farbsymbol hervor. Aber die relative Eindeutigkeit verwischte rasch, was damit zusammenhängt, daß Orange seit Beginn des 20. Jahrhunderts als optischer Sympathieträger schlechthin gilt, den jede Gruppierung zu besetzen trachtet, auch Separatisten in Kirgistan oder radikale Siedler in Israel.

In Deutschland haben sich nach- und nebeneinander die SPD, die CDU und die WASG orange dekoriert, und als Haider im April 2005 die "Bewegung für die Zukunft Österreichs" (BZÖ) von der FPÖ löste, reklamierte auch er Orange, wenngleich ganz ideologiefrei, nur als Signal für "Jugend" - "Modernität" - "Wellness".

Dabei hätte dieses Lager die Möglichkeit gehabt, ausdrücklich an eine liberale Symboltradition anzuknüpfen, denn Orange galt lange Zeit als "Freiheitsfarbe". Die Ursache dafür war die Ableitung von der Hausfarbe der Dynastie Oranien, eigentlich das Geschlecht der Grafen von Nassau, das im 16. Jahrhundert durch Erbgang in den Besitz des französischen Fürstentums Orange kam und danach dessen Namen führte. Nachdem sich Wilhelm von Oranien im Freiheitskampf der Niederlande an die Spitze der Aufständischen gestellt hatte, wurde Orange zu deren Abzeichen. Ältere Darstellungen der niederländischen Nationalflagge zeigen diese dann auch in Orange-Weiß-Blau. Allerdings verschob sich die Farbgebung Mitte des 17. Jahrhunderts aus nicht mehr klar erkennbaren Gründen zu Rot-Weiß-Blau, Orange-Weiß-Blau galt nur noch als "Prinzenflagge".

Die symbolische Scheidung zwischen Dynastischem und Nationalem ist im Grundsatz bis heute gewahrt. Orange bleibt auf die Standarten des königlichen Hauses beschränkt. Allerdings erscheinen niederländische Fußballfans in orangefarbenem Trikot und skandieren "Oranje boven" - "Vorwärts, Oranien", den Schlachtruf der Geusen, und üblicherweise wird an den Feiertagen - vor allem am "Königinnentag" - die Staatsflagge mit einem zusätzlichen orangefarbenen Wimpel versehen und irgend­etwas in Orange zum Schmuck von Haus oder Person verwendet.

Den wichtigsten Machtzuwachs erreichte das Haus Oranien letztlich außerhalb der Niederlande, in England mit der Glorreichen Revolution von 1688. Eine Fahne in Orange soll Wilhelm III. bei seiner Landung an der englischen Küste geführt haben. Durch seinen Sieg wurde Orange zum Symbol für die Anhänger der neuen Ordnung, vor allem der Whigs, der Vorläufer der Liberalen, die das Recht des Parlaments und der anglikanischen Staatskirche verteidigten. Etwas von dieser Frontstellung hat sich im Irlandkonflikt bis heute erhalten. Während der katholische irische Nationalismus aus naheliegenden Motiven Grün bevorzugte, entstand schon 1795 eine loyalistische Bewegung von Nordiren schottischer bzw. englischer Herkunft und protestantischer Konfession unter der Bezeichnung Orange Men. Ihre Anhänger stellten und stellen ihre Militanz bevorzugt durch die Farbe Orange zur Schau, etwa bei den jährlichen Aufmärschen des Orange Order.

Eine der irischen ähnliche Entwicklung kann man auch in Südafrika ausmachen, wo Siedler niederländischer Herkunft seit ihrer Ankunft im 17. Jahrhundert Abwandlungen der Flagge ihres Heimatlandes verwendeten. Nach der Unterwerfung der burischen Kolonien durch England 1902 und Gründung der Südafrikanischen Union wurde allerdings der Union Jack eingeführt. Als das südafrikanische Parlament diese Entscheidung 1925 zugunsten einer neuen Nationalflagge rückgängig machen wollte, kam es zu einem Flaggenstreit, der das Land an den Rand des Bürgerkriegs brachte. Schließlich einigte man sich auf einen Kompromiß, durch den eine Flagge nach niederländischem Muster geschaffen wurde: Orange-Weiß-Blau, mit den kleinen Fahnen des Oranje-Freistaats, Großbritanniens und dem Vierkleur-"Vierfarb" Transvaals auf dem Mittelstreifen.

Der Vierkleur, die altniederländischen Farben und ganz allgemein das Orange sind später immer Symbol des weißen, burischen Südafrika gewesen. Dabei blieb es auch nach der Beseitigung der Apartheid, was vor allem an jenen Fahnen burischer Organisationen zu erkennen ist, für die noch immer Orange ein Ausdruck weißer Identität bleibt, während die alte "National-Partei" sie bezeichnenderweise aus ihrem Emblem entfernte, nachdem sie sich mit der veränderten Lage arrangiert hatte.

Die JF-Serie "Politische Zeichenlehre" des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.


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