© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/07 06. April 2007

Alles, was ein Mann braucht: Die Illusion von der Unvergänglichkeit
Faszination Oldtimer
Jens Petersen

Was ist eigentlich dran am Oldtimer? Massen von Menschen werden demnächst wieder auf die Messen pilgern, auf denen man technisch hoffnungslos veraltete Autos sehen und oft auch zu erstaunlich hohen Preisen erwerben kann. Oldtimer-Treffen finden das ganze Jahr über statt, und manch einer gibt das vorletzte Hemd, damit der alte Karren auch nach Jahrzehnten keinen Hauch moderner oder auch nur anders sei als er die Fabrik verlassen hat. Man meint, Zierleisten, Sitzbezüge, Blinker oder Radkappen seien ohne weiteres dissertationsfähige Themen, es gibt Glaubenskriege um Befestigungsklammern, Hohlraumkonservierungen oder Farbmischungen ("mausgrau, aschgrau, steingrau, bleigrau, zementgrau").

Da gibt es Dinge, die halten halbwegs normale Menschen gar nicht für möglich. Männersache das Ganze, natürlich, Frauen machen nur mehr oder weniger begeistert mit, wenn überhaupt. Aber Frauen bekommen bekanntlich Kinder, sammeln Beeren und achten auf das Feuer. Sie brauchen Autos für banale Transportzwecke zwischen Supermarkt und Kindergarten. Der Mann aber muß schneller als die Beute sein, ihr dann mit seinen Waffen den Garaus machen können sowie Frauen und nicht selten andere Männer beeindrucken.

Man achte mal darauf, wie hoch der Anteil an attraktiven Blondinen auf den Beifahrersitzen von Porsches und Ferraris ausfällt im Verhältnis etwa zu Fords und Peugeots! Nennen Sie's ruhig blödsinniges Klischee, ich bin sicher, der Nagel ist damit auf den Kopf getroffen. Aber so ließe sich höchstens erklären, warum der Mann das Auto braucht und noch so vernünftige Monatskarten für die Straßenbahn hier völlig nutzlos sind - daß es für viele Männer auch noch alte Autos sein müssen, wird damit noch nicht plausibel.

Sehr leicht versteht man es auf der Basis der Karl Valentinschen Formel "Früher war alles besser, sogar die Zukunft." Wenn ein Junge mit dem Erwachsenwerden beginnt, interessiert er sich zuerst für Autos, später für Mädchen und antizipiert somit intuitiv die Reihenfolge von Ursache und Wirkung seiner Freizeitbeschäftigungen der kommenden Jahrzehnte. Wer früher bis zum Pupillenstillstand Autoquartett gespielt hat, weiß auch heute noch Hubraum, PS und Höchstgeschwindigkeit von Hunderten von Autos auswendig. In jenen Jahren findet oft eine Prägung auf eine bestimmte Gattung von Fahrzeugen statt, etwa schnelle italienische Sportwagen oder dekadente amerikanische Straßenkreuzer, oder auch auf ein ganz bestimmtes Modell - beim Autor zum Beispiel war das der alte Mercedes 600, der wie er selbst im Jahre 1964 das Laufen lernte. Er mit Strickschuhen, der andere mit hundertneunzig Kilo Chrom.

Die Jahre mögen vieles verändern, diese Prägung kaum. Vor allem aber merkt der Auto-Nostalgiker irgendwann, daß er sich mit der Konservierung oder Wiederbelebung seines Traumautos oder zumindest eines seiner Verwandten eine wunderbare Illusion schaffen kann: die Illusion von der Unvergänglichkeit! Von der Unvergänglichkeit auch jener Zeit, als man das Leben und alle anderen Illusionen noch vor sich hatte. Daran entzündet sich leicht Leidenschaft, auch noch im hohen Alter und ganz ohne rezeptpflichtige Hilfsmittel. Ein Auto kann einen Mann fast sein ganzes Leben begleiten. Und dabei kann die leidenschaftliche Oldtimerei ihrem Protagonisten manch hohem Aufwand zum Trotz auch eines ersparen: das harte Brot der Monogamie. Beleidigtsein kann man bei Autos schon ausmachen, Eifersucht nicht. Mit Erfahrungen wachsen Erkenntnisse und entwickeln sich neue Leidenschaften - wie im richtigen Leben.

Wenn Sie glücklich sind, lassen Sie die Finger von alten Autos. Wenn nicht, können Sie neue Hoffnung schöpfen!


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