© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/07 06. April 2007

Frisch gepresst

Ranke. Während sich der Manuskript-Nachlaß Leopold von Rankes, "des größten Klassikers der deutschen Geschichtsschreibung" (Hans Herzfeld 1949), in der Berliner Staatsbibliothek türmt, gilt sein Brief-Nachlaß seit 1945 als verschollen. Maßgebend schien daher bis heute "Das Briefwerk", das Walther Peter Fuchs, Helmut Kohls Doktorvater, 1949 als Kompilation vor 1945 veröffentlichter Stücke aus des Meisters epistolographischer Produktion herausgegeben hat. Von einer historisch-kritischen Ausgabe ist Fuchs' Sammlung jedoch meilenweit entfernt. Den ersten Band einer solchen, durch glückliche Quellenfunde bereicherten Edition legen Ulrich Muhlack und Oliver Ramonat vielmehr erst jetzt vor (Leopold von Ranke: Briefwechsel. Historisch-kritische Ausgabe, Band 1: 1813-1825. Oldenbourg Verlag, München 2007, gebunden, 656 Seiten, Abbildungen, 79,80 Euro). Auch mit Blick auf die herkulische Anstrengungen bezeugende Kommentierung darf man von einem Meilenstein in der Ranke-Forschung sprechen. Diese Edition bietet eine "gewaltige Vermehrung" der Korrespondenz durch wiederaufgefundene Abschriften von Briefen an Ranke und löst somit Muhlacks in seiner glänzenden Einleitung gegebenes Versprechen ein, beim Gang zu den Quellen auf "Vollständigkeit und philologische Präzision" achtgeben zu wollen.

DIe Gotheins. Eberhard Gothein, den kein Geringerer als Jacob Burckhardt als seinen "Erben und Nachfolger" gewürdigt hat, ist heute nahezu vergessen. Dabei galt der 1853 geborene Schlesier, der 1878 bereits Privatdozent in Breslau wurde, einst als eine der bekanntesten Gestalten der Heidelberger Gelehrtenrepublik, der sich hinter Max Weber oder Wilhelm Windelband nicht zu verstecken brauchte. Daß Gotheins Korrespondenz ein herausragendes kulturhistorisches Dokument sein muß, ist somit leicht vorstellbar. "Der Briefwechsel der Kulturwissenschaftler Eberhard und Marie Luise Gothein (1883-1923)" erfüllt solche Erwartungen aufs beste, da hier Innenansichten der wilhelminischen Gesellschaft geboten werden, die weit über das akademische Milieu hinausgehen. Geradezu erbärmlich ist indes die Kommentierung durch Herausgeber Michael Maurer (Jena), in der das Selbstverständliche erläutert und das Erklärungsbedürftige beschwiegen wird ("Im Schaffen genießen". Böhlau Verlag, Köln 2006, gebunden, 683 Seiten, Abbildungen, 89 Euro).


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