© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/07 06. April 2007

Frisch gepresst

DDR-Unrecht. Im Film "Die Mörder sind unter uns" mit Hildegard Knef in einer Hauptrolle beklagte Wolfgang Staudte 1946 den zu reibungslosen Übergang von nationalsozialistischen Tätern in die Nachkriegsgesellschaft. Ganz bewußt hat nun Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, mit seinem Buchtitel "Die Täter sind unter uns" (Über das Schönreden der SED-Diktatur. Propyläen Verlag, Berlin 2007, gebunden, 384 Seiten, 22 Euro) an diese Klage angeknüpft - provoziert von einer verharmlosenden "Ostalgie" in den Medien und dem allzu frechen Auftreten ehemaliger Stasi-Folterknechte, die sich 15 Jahre nach Verfall ihres Regimes zum öffentlichen Leugnen und Verharmlosen ihrer miefigen Diktatur formieren. Anders als beim NS-Unrecht nach 1945 können sich die meist ohne rechtliche Konsequenzen Davongekommenen und statt dessen mit üppigen Pensionen ausgestattenten Stasi-Rentner auch noch auf eine breite Lobby stützen, die aus Redaktionsstuben bis zur im Bundestag vertretenen PDS ihr gruseliges Treiben wohlwollend begleitet - argumentativ gern mit dem schon zu DDR-Zeiten allzeit bemühten Mäntelchen eines "Antifaschismus" umhüllt. Knabes Darlegung dieser Strukturen stellt sicherlich eine Stärke des Buches an. Ebenso treffend ist seine Analyse der "Verfolgten zweiter Klasse", deren Schicksal nicht nur durch materielle Nöte geprägt wird, sondern ständig gegen eine Mauer von Desinteresse stößt.

Bombenkrieg. Zwei Bücher rütteln derzeit am gepflegten britischen Klischee, im Kampf gegen die "Nazi-Krauts" alles richtig gemacht zu haben. Genügten noch fast einhellige Aburteilungen vieler Feuilletonisten, um die 2006 auf der Insel erschienene Übersetzung des Jörg-Friedrich-Buches "The Fire. The Bombing of Germany 1940-1945" als larmoyantes Produkt eines Angehörigen des Tätervolks zu klassifizieren (JF 4/07), fällt dergleichen beim fast zeitgleich erschienenen Buch des britischen Philosophen Anthony Clifford Grayling ungleich schwerer. "Um nicht als Apologet Deutschlands zu wirken, habe ich mich auf andere Quellen als die deutschen konzentriert", nimmt dieser denn auch gleich Kritikern den Wind aus den Segeln. So wiegt Graylings Resümee doppelt schwer, wenn er die alliierte Bombardierung ziviler Ziele in Deutschland und Japan nicht nur als moralisch verwerflich beurteilt - und die in der nun vorliegenden deutschen Übersetzung untertitelnde Frage: "Waren die alliierten Bombenangriffe Kriegsverbrechen?" tendenziell bejaht -, sondern auch noch dem gern vorgebrachten Argument klar widerspricht, die Zerstörung der Städte habe den Krieg verkürzt und sei somit immerhin militärisch begründbar (Die toten Städte. C. Bertelsmann Verlag, München 2007, gebunden, 414 Seiten, Abbildungen, 22,95 Euro).

József Antall. Nach der Wende 1990/91 in den mittelosteuropäischen Staaten wurde die politische Führung durch Intellektuelle - nicht selten Dissidenten der kommunistischen Regimes - geprägt, denen die Mühlen parteipolitischer Kaderarbeit erspart blieben und deren Politik sich aus ihrer inneren, meist antitotalitären Überzeugung ableitete. Václav Havel dürfte der prominenteste dieser Politiker sein. Weit weniger bekannt ist dessen ungarisches Pendant József Antall, der als erster frei gewählter Ministerpräsident die politische und wirtschaftliche Transformation Ungarns einleitete, bevor er 1993 nur 61jährig starb. Antalls christlich-liberale Weltanschauung, aber auch sein Drängen "nach Europa" führte ihn in die Nähe europäischer Christdemokraten. Daß Altbundeskanzler Helmut Kohl das Vorwort zu den jetzt auf deutsch vorliegenden gesammelten Reden beiträgt, drückt Antalls Wertschätzung nicht nur als Kohls einstiger germanophiler Amtskollege aus (Ein Intellektueller in der Politik. Adalbert-Stiftung, Krefeld 2007, broschiert, 266 Seiten, Abbildungen, 10 Euro).


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