© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/07 06. April 2007

Geheim, daher nicht gern öffentlich
Erich Schmidt-Eenboom analysiert die Tätigkeit des BND im Nahen Osten
Hans-Jürgen Hofrath

Der vorliegende Band liest sich über breite Strecken wie eine Neuauflage von James Bond - allenfalls mit dem Unterschied, daß der Autor Erich Schmidt-Eenboom die Faktizität der geschilderten Vorfälle in realiter behauptet. Immerhin war er als Verfasser eines bereits 1993 erschienenen und ebenfalls den BND thematisierenden Bandes ("Schnüffler ohne Nase") vielfach selbst Zielscheibe nachrichtendienstlicher Observationen. Zumindest in Einzelfällen wurden diese Aktionen durch den eigens vom hiermit befaßten parlamentarischen Kontrollausschuß bestellten Gutachter - einen ehemaligen Bundesrichter - wegen Unverhältnismäßigkeit als rechtswidrig eingestuft.

Insbesondere diese Ereignisse beleuchten der erste und der letzte Abschnitt des aktuellen Buches, wobei der Autor es nicht versäumt - und darin mag zugleich auch ein besonderes Verdienst des Buches gesehen werden -, Verbesserungsvorschläge für eine zukünftig effektivere Kontrolle des Geheimdienstes vorzutragen. Nach seiner Vorstellung könnte dies durch Implementierung unabhängiger Geheimdienstkontrolleure mit direktem Durchgriffsrecht erfolgen.

Sicherlich ist der BND verglichen mit ungleich berüchtigteren Institutionen wie CIA und Mossad ein "Waisenknabe" - dennoch sind rechtswidrige Operationen oder zumindest doch solche in rechtlicher Grauzone zu konstatieren. Und nicht erst seit der berüchtigten Plutoniumschmuggel-Affäre des Jahres 2002 ist ebendieser BND ins Fadenkreuz der Kritik geraten - exemplifiziert durch "Enthüllungsliteratur" eines Udo Ulfkotte oder des Ex-BNDlers Norbert Juretzko.

Zentral werden die innerdeutschen "Machenschaften" des BND thematisiert, welche die Überwachung des Autors wie auch von Journalisten etwa von Focus und Stern beinhalteten - alle hatten BND-kritische Beiträge abgefaßt. Begründet wurde die Beschattung unter Berufung auf das Recht der "Eigensicherung" und mit dem Ziel, "undichte Stellen" innerhalb des Geheimdienstes selbst aufzudecken. Was Konstellationen implizierte, unter denen sich BND-Angehörige als Informanten der Journalisten betätigten, während umgekehrt Redaktionsangehörige ihre Kollegen im Auftrag ebendieses BND ausspähten.

Primär allerdings obliegt dem BND, welcher organisatorisch als Bundesoberbehörde in das Kanzleramt integriert ist und für den ein teils sehr auslegungsbedürftiges "BND-Gesetz" existiert - die Auslandsaufklärung. Die Aktivitäten der Nachfolgeinstitution der Organisation Gehlen im Nahen Osten sind denn auch gemäß dem Untertitel Inhalt der übrigen Kapitel im mittleren Teil des Werkes. Dabei entfaltet Schmidt-Eenboom den weiten Bogen der historischen Entwicklung ebenso wechselvoller wie traditionsreicher Beziehungen des Nachrichtendienstes zu Staaten wie Ägypten, Syrien, Sudan und Irak. Und er wird nicht müde, die Kontinuität dieser Beziehungen seit den Tagen des Dritten Reiches im Kontext der deutsch-arabischen Frontstellung gegen den Westen nachzuzeichnen.

Daß es sogar auch zu Konfliktsituationen etwa mit Israel oder vor dem Hintergrund der Suez-Krise zu den westlichen Staaten kam, liegt in der Natur der Sache - und läßt sich an Vorfällen wie direkten Mossad-Attentaten gegen an ägyptischen Raketenprogrammen beteiligte deutsche Wissenschaftler drastisch verdeutlichen.

Bei aller prinzipiellen Berechtigung der vom Autor beschworenen "Staat-im-Staate-Gefahr" durch unzureichend kontrollierte Geheimdienste vermag sich der unbefangene Leser hier einer gewissen Schadenfreude insofern nicht ganz zu entziehen, als es ansonsten meist doch gerade Journalisten respektive Medien sind, welche als vierte Gewalt die Opfer ihrer Willkür (wie im Fall des CDU-Abgeordneten Martin Hohmann etc.) gerne mit der ihnen eigenen Selbstgewißheit und unkontrollierten Machtarroganz in die Enge treiben. Oder einseitig-ideologische Stimmungsmache betreiben und dabei konträre oder nicht-konforme Meinungen mit Vorliebe ausblenden. Nunmehr haben sie ihrerseits einmal die Opferrolle am eigenen Leibe erfahren, und in dieser vermag sich der Verfasser stilvoll selbst zu inszenieren. Am Ende darf dies gar als eine Causa aus-gleichender Gerechtigkeit gesehen werden.

Alles in allem könnte sich hier so etwas wie eine neue Auseinandersetzung um das labile und vielfach durch neue Entwicklungen ins Ungleichgewicht geratene Prinzip der Gewaltenteilung in aktuellem Kontext eröffnen.

Eine abschließende Klärung des juristischen Dilemmas steht unterdessen noch aus. Dies gilt insofern, als hier widerstreitende Rechtsgüter wie der Pressefreiheit einerseits sowie der etwa durch Terrorismus gefährdeten nationalen Sicherheit und damit verbundenen staatlichen Geheimhaltungsinteressen andererseits in Konflikt treten. Jedenfalls ist ein Diskurs über Rechte und Rolle der Geheimdienste im Rechtsstaat in Gang gesetzt, mit der Konsequenz, daß die Frage möglicherweise einem Diktum des Bundesverfassungsgerichtes zugeführt wird. Auch in bezug auf Medien wäre ein vergleichbarer Diskurs vonnöten.

Erich Schmidt-Eenboom, Rudolf Lamprecht: BND. Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten. Geheime Hintergründe und Fakten. Herbig Verlag, München 2006, gebunden, 242 Seiten, 19,90 Euro


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