© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/07 23. März 2007

Kolumne
Lechts und rinks
Herbert Ammon

Der Wiener Dichter Ernst Jandl faßte seine politische Lebensbilanz in den Vierzeiler: "manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht velwechsern / werch ein illtum". Die historischen Umstände, denen solche Einsicht entsprang, waren andere als heute. Seinerzeit - etwa zwischen 1919 bis 1943/45 - ging es in Österreich um jene nicht seltenen Salti von Parteigängern der feindlichen "Lager", die beide der gescheiterten großdeutschen Revolution von 1848 entstammten. Tempi passati.

Oder doch nicht? Über die Gemeinsamkeiten in antikapitalistischen Parolen der "rechten" NPD und der "linken" Attac-Aktivisten empören und amüsieren sich heute die Platzhalter der "Mitte". Ihnen geht es um den Kampf gegen die Extreme und deren indirekte Komplizenschaft. Die "Mitte", politisch-moralisch einwandfrei, hält aus Eigeninteresse an der Rechts-Links-Zuordnung fest: Gäbe es die parlamentarische Sitzordnung, den Fraktionszwang und die mediale Selbstdefinition der Unterschiede nicht, so wären die im Bundestag vertretenen Parteien - mit Ausnahme der DDR-behafteten "linken" PDS - zum Verwechseln ähnlich. Und das ist gut so: Demokratische Parteien müssen untereinander koalitionsfähig sein. Ach ja.

Auch die Farbenlehre Grün/Rot/Schwarz/Gelb gibt wenig her. Die rot-grüne Koalition inszenierte ab 1998 den Übergang der Bundeswehr von einer Verteidigungs- zu einer Interventionsarmee. Ein Jahr später beteiligte sich die "linke" Bundesregierung an einem völkerrechtlich nicht legitimierten Krieg gegen Jugoslawien ("humanitäre Intervention"). Heute beschließt die schwarz-rote Regierung, mit mehrheitlicher Unterstützung der Grünen, den Tornado-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Der "linken" SPD geht's vermutlich um "linke" (humanitäre) Ziele, der "rechten" CDU um Bündnistreue, beiden um die Burka.

Gegen solches Vorgehen erhoben Willy Wimmer (CDU) und Peter Gauweiler (CSU) Klage beim Verfassungsgericht. Von den beiden gilt besonders der "Schwarze Peter" - ungeachtet seiner "grünen" Politik in Bayern und seines Einspruchs gegen den Irak-Krieg 2003 - als "Rechter". Die Klage wurde vom Bundesverfassungsgericht aus formalen Gründen abgewiesen. Nun hat die PDS (letztes Markenzeichen "Die Linke") als Fraktion Organklage erhoben. Wie immer die Entscheidung ausfällt: Die Fakten genügen, zu zeigen, wie unbrauchbar Begriffe sein können. "Links" und "rechts" werden alsbald nicht nur für die Außenpolitik obsolet sein.

 

Herbert Ammon lebt als Historiker und Publizist in Berlin.


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