© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/07 16. März 2007

Mummenschanz
Politische Zeichenlehre XVIII: Totenkopf
Karlheinz Weissmann

Bei den Chaostagen in Kopenhagen sah man neben dem üblichen anarchistischen Dekor auch schwarze Fahnen mit Totenköpfen. An sich ist der Totenkopf so negativ besetzt, daß er kaum als politisches Abzeichen geeignet scheint. Das Präsentieren von Kopftrophäen, das bei Kelten wie Germanen und zahlreichen Primitiven üblich war, erregte schon den Abscheu der Römer. Auch die Bedeutung auf Pestflaggen und in der Piratenflagge (Jolly Roger, Black Jack) spricht eigentlich gegen eine politische Verwendung.

Wenn der Totenkopf trotzdem genutzt wird, dann hängt das entweder mit einem verschwörerischen Hintergrund oder gewissen kriegerischen Bräuchen zusammen, jedenfalls mit der Neigung, durch düstere Zeichen Todesbereitschaft zum Ausdruck zu bringen.

In den ersten Zusammenhang gehörte die Verwendung des Totenkopfes in Geheimbünden wie den italienischen Carbonari oder dem Ku-Klux-Klan. In beiden Fällen neigten die Mitglieder zum Mummenschanz, denkbar sind aber auch Einflüsse aus der Freimaurerei, die die Symbolik des Totenkopfes kennt. Ernster zu nehmen ist die zweite Tradition, die aus der Emblematik irregulärer Truppen stammt. Diesen Verbänden, die im 18. Jahrhundert aufgestellt wurden, traten die Regulären mit einer gewissen Herablassung gegenüber, aber im Laufe der Zeit wandelten sie sich zu regelrechten Elitetruppen.

Ein bekanntes Beispiel dafür ist die leichte Reiterei der Husaren. In deren Reihen war es nicht nur üblich, exotische Uniformierung und Haartracht (geschnürte Jacke, Schnurrbart mit hängenden Enden sowie Zöpfe nach ungarischem Vorbild) zur Schau zu stellen, sondern auch besonders martialische Abzeichen zu verwenden. In der preußischen Armee Friedrichs des Großen gab es zum Beispiel mehrere Einheiten, die Skelette oder Totenköpfe trugen. Die berühmten, schwarz uniformierten "Totenkopf-Husaren" bestanden als militärische Einheit bis zum Untergang der Monarchie. Danach wurde ihre Tradition von Kavallerieeinheiten der Reichswehr und später Panzerverbänden der Wehrmacht fortgesetzt, die ihrerseits schwarze Uniformen und Totenkopf-Abzeichen verwendeten.

Eine solche militärische Emblematik war auch außerhalb Deutschlands verbreitet, in Schweden ebenso wie in Großbritannien oder in Rußland. Im österreichischen Heer hatten die "Sturmtruppen" während des Ersten Weltkriegs Totenköpfe als Kappenabzeichen, Totenköpfe bevorzugten außerdem ihre Gegner, die italienischen Arditi. Von hier aus besteht eine direkte Verbindung zur politischen Symbolik des Faschismus. So gab es in den ersten Verbänden zahlreiche Wimpel mit Totenkopfdarstellung oder einem Totenkopf als Fahnenaufsatz, außerdem Totenköpfe mit makabren Beigaben, wie einem Dolch zwischen den Zähnen, auf Emblemen. In der 1943 gegründeten Repubblica Sociale Italiana verlieh man in bewußter Aufnahme dieser Tradition Totenkopfabzeichen vor allem an Eliteverbände wie die Flottila Decima Mas (Totenkopf mit einer Rose zwischen den Zähnen).

Anders als im italienischen Faschismus ist für den deutschen Nationalsozialismus eine unmittelbare Abhängigkeit gegenüber der Kriegs- und Nachkriegszeit nicht nachweisbar. Allerdings gab es den Totenkopf als Symbol von Freikorps und aus ihnen hervorgegangenen Kampfbünden. So entsprach die schwarze Mütze mit Totenkopf-Emblem des "Wehrwolfs" dem später von der SS benutzten. In der SS wurde ursprünglich auch eine schwarze Fahne mit einem weißen Totenkopf verwendet, die dem Muster der Wehrwolf-Fahnen sehr ähnlich war. Diejenigen SS-Einheiten, die mit der Bewachung der Konzentrationslager betraut wurden, bezeichnete man nach 1936 wegen des Motivs auf dem rechten Kragenspiegel offiziell als "Totenkopf-Verbände".

Ernst Nolte hat den Totenkopf als typisches Symbol des "Radikalfaschismus" bezeichnet, und tatsächlich ist die Verwendung auf der Gegenseite vergleichsweise unbekannt. Allerdings gab es während des Spanischen Bürgerkriegs zahlreiche militärische Verbände der Anarchisten, die einen Totenkopf auf Fahnen führten, sogar ein von dem Italiener Cándido Testa kommandiertes Batallón de la Muerte - "Todesbataillon".

Ob von hier aus eine direkte Verbindung zur Verwendung des Totenkopfes durch den zeitgenössischen Linksradikalismus besteht, ist aber eher zweifelhaft. Möglicherweise gibt ein zunehmend hoffnungsloser und nihilistischer Zug in der Agitation dieser Gruppen den Ausschlag, die bei Aufmärschen den Jolly Roger zeigen und seit den neunziger Jahren Totenköpfe als Sgraffiti, auf Plakaten und Aufklebern anbringen.

Die JF-Reihe "Politische Zeichenlehre" des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

Foto: August von Mackensen


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