© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/07 16. März 2007

Episkopale auf liberalen Abwegen
USA: Amerikanische Anglikaner provozieren die traditionellen Landeskirchen / Streit um Frauenordination und Haltung zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften
Burnell F. Eckardt

Bei ihrem Treffen vergangenen Monat in Tansania beerdigten die Bischöfe der episkopalen Kirchen der Welt jegliche Vorurteile, Anglikaner interessierten sich mehr für Äußerlichkeiten als für Theologie. Und noch eine Karikatur hat sich als haltlos erwiesen: die vom amerikanischen Ableger des Anglikanismus als "betendem Arm" der Republikanischen Partei. Die Episkopalkirche ist im Laufe der Jahre bis an die Grenze zur Rebellion aus dem Konsens der anglikanischen Weltgemeinschaft ausgeschert. Und so fühlten sich die Vertreter der eher traditionell eingestellten Territorialkirchen veranlaßt, dagegen einzuschreiten.

In der brisanten Frage der Homosexualität etwa waren die liberalen Episkopalen schon früher zu der Auffassung gelangt, es handle sich hierbei um einen Lebensstil, der unter kirchlichen Segen gestellt zu werden verdiene. In Tansania nun wiederholten die Bischöfe der Weltgemeinschaft ihre bekannte Haltung, und die lautet standhaft: "Kehrt um!" Bis zum 30. September haben die Amerikaner jetzt Zeit, auf das Ultimatum zu antworten.

Das Menetekel begann auf der letzten Lambeth-Konferenz, einer Institution, die mittlerweile als historischer Vorbote von Ungemach in der anglikanischen Welt gilt. Mitte des 19. Jahrhunderts war die britische Krone so geschwächt und die anglikanischen Außenposten rund um die Welt so streitsüchtig, daß ein neues Mittel vonnöten schien, um die Einheit der Anglikaner zu erhalten. 1867 versammelten sich die anglikanischen Bischöfe im Londoner Lambeth-Palast, um die Probleme zu diskutieren, mit denen sie sich konfrontiert sahen. Seither dient die alle zehn Jahre stattfindende Lambeth-Konferenz dazu, aktuelle theologische und gesellschaftliche Fragen im Raum des Anglikanismus zu diskutieren.

Eine zunehmend fragile Kirchengemeinschaft

Das änderte sich 1998, als die Konferenz angesichts politischer und anglikanischer Exzesse das biblische Verständnis von Ehe und Sexualmoral in den Vordergrund rückte. Viele Episkopale - vor allem Schwule und Lesben, die in ihren Reihen längst Zuflucht gefunden hatten - reagierten mit hysterischem Wehklagen auf diese vermeintliche Kapitulation ihrer Kirche vor der Homophobie. Im Jahre 2003 schließlich wurde in New Hampshire ein geschiedener, bekennender praktizierender Homosexueller zum Bischof geweiht.

Für Kulturkritiker stellte Gene Robinsons Bischofsweihe nur einen weiteren Schritt auf dem schwul-lesbischen Siegeszug durch die Institutionen dar, doch die anglikanische Kirchengemeinschaft sah sich vor die Frage gestellt, wie mit einem solchen offenen Regelverstoß umzugehen sei. Bis dahin hatten sich alle nach Treu und Glauben an die im Lambeth-Palast getroffenen Entscheidungen gehalten. In der verzweifelten Hoffnung, die zunehmend fragile Kirchengemeinschaft zusammenzuhalten, berief der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, 2004 eine Sonderkommission ein. Das Ergebnis war der Windsor-Bericht, den die Bischöfe mit nachdrücklicher Billigung des Erzbischofs annahmen.

So taktvoll und besonnen der Bericht formuliert war, äußerte er doch starke und unmißverständliche Kritik an dem Vorgehen der Amerikaner. Sie wurden darin aufgefordert, zu erklären, mit welcher Autorität sie gehandelt hätten - eine nicht gerade subtile Art, ihnen Gesetzlosigkeit vorzuwerfen. Weiterhin verlangte der Bericht eine Entschuldigung und ein Moratorium für die kirchliche Segnung schwuler und lesbischer Partnerschaften.

Die Antwort der Episkopalen erfolgte 2006 und war ebenso unmißverständlich: Sie wählten Katherine Jefferts-Schori zur Erzbischöfin. Nicht nur war sie die erste Frau in der Geschichte des Christentums, die ein so hohes Amt bekleidete, sie hatte sich in der Vergangenheit auch für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ausgesprochen und Robinsons Bischofsweihe zugestimmt. Ihre Wahl stellte eine offene Rebellion dar.

Weltliche Ansichten kontra biblische Wahrheiten

Konservative Anglikaner, allen voran einige afrikanische Bischöfe, drohten nun die Kirchengemeinschaft zu kündigen. Verbündete fanden sie vor allem unter den wenigen amerikanischen Bischöfen, die lieber den Vorgaben des Windsor-Berichts gefolgt wären. Ihre Widerspenstigkeit aber erzürnte die episkopale Mehrheit, der die Ironie ihrer eigenen Starrköpfigkeit gegenüber der globalen Kirchengemeinschaft wohl entgangen war. Statt dessen mußten sich die Bischöfe Antiamerikanismus vorwerfen lassen. Tatsächlich weigerten sie sich lediglich, den liberalen Vorstellungen ihrer amerikanischen Glaubensbrüder nachzugeben. Daran sind Amerikaner nicht gewöhnt, und es scheint unwahrscheinlich, daß die schrillen Stimmen ihrer Aktivisten plötzlich verstummen und das Ultimatum akzeptieren werden.

Viele, die befürchteten, das Treffen in Tansania würde im Schisma enden, atmen nun erleichtert auf, weil statt dessen ein "Waffenstillstand" ausgerufen und den Amerikanern eine letzte Chance gewährt wurde, zur Besinnung zu kommen. Doch handelt es sich wohl nur um einen Aufschub des Unvermeidlichen. In dieser Frage prallt Gewissen gegen Gewissen: Die Liberalen haben bereits von einer Ungerechtigkeit gesprochen, die der Sklaverei vergleichbar sei, während die Konservativen - ebensowenig gewillt, von ihrem Standpunkt abzurücken - darauf pochen, daß es der Kirche nicht zustehe, weltlichen Ansichten auf Kosten unverbrüchlicher biblischer Wahrheiten Raum zu geben.

Keine Seite scheint zu einer Umkehr bereit. Doch wer weiß? Das Ultimatum aus der tansanischen Hauptstadt Dar-es-Salaam ist ebenso kraftvoll wie theologisch überzeugend. Man kann nur hoffen, daß die Vernünftigen darauf hören. Vielleicht können einige betende US-Republikaner die übrigen nach Treu und Glauben umstimmen.

 

Dr. Burnell F. Eckardt jr. ist Chefredakteur von "Gottesdienst", einer US-Zeitschrift zur evangelisch-lutherischen Liturgie.

Foto: Erzbischof von Canterbury bei Segnung: "Waffenstillstand"


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