© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/07 09. März 2007

Der zweite Streich
Föderalismusreform: Bund und Länder wollen ihre Finanzbeziehungen neu ordnen / Bayern fordert Frühwarnsystem für Verschuldung
Arnold Steiner

Die Föderalismusreform geht in die zweite Runde. Mit der Einsetzung der Föderalismuskommission II in dieser Woche geht es bei der Neuordnung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ans Eingemachte: Die Frage der Finanzbeziehungen steht ganz oben auf der Tagesordnung.

Schon die erste Stufe der Föderalismusreform ist als größte Verfassungsänderung seit Einführung des Grundgesetzes 1949 wegweisend (JF 37/06). Bei der Föderalismusreform I unter dem Vorsitz von Edmund Stoiber (CSU) und Franz Müntefering (SPD) handelte es sich im wesentlichen um eine Reform der Zuständigkeiten und nicht der inhaltlichen Fragen. Zwei Dutzend Grundgesetzartikel und eine Vielzahl weiterer Gesetze wurden geändert. Hauptziel der Reform war eine Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen. So sollte zum einen eine schnellere Gesetzgebung ermöglicht werden, zum anderen dem Bürger eine größere Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens geboten werden.

Um diese Ziele zu erreichen, wurde eine Neuregelung der durch den Bundesrat zustimmungsbedürftigen Gesetze vorgenommen. Die Zahl dieser Gesetze liegt schon seit der zweiten Wahlperiode des Bundestages zwischen 50 und 60 Prozent und soll durch die Änderungen im Grundgesetz um 25 Prozent reduziert werden. Bislang mit mäßigem Erfolg: Seitdem die erste Stufe der Föderalismusreform am 1. September 2006 in Kraft getreten ist, ist die Quote der zustimmungspflichtigen Gesetze lediglich von 51 auf 47,5 Prozent gesunken. Ein weiterer wesentlicher Punkt der Reform ist die ersatzlose Streichung der Rahmengesetzgebung, die durch das bisherige zweistufige Rechtssetzungsverfahren in Bund und Ländern wenig effektiv und zur Umsetzung von EU-Recht kaum tauglich war. Die nun mit der zweiten Reformstufe angestrebte Neuordnung der Finanzbeziehungen ist nach Ansicht des Bundestages nötig, um das föderale System an die veränderten Bedingungen der Wachstums- und Beschäftigungspolitik anzupassen.

Den Vorsitz der Kommission haben für den Bundestag der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck und für den Bundesrat der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) inne. Neben den Vorsitzenden werden aus Bundestag und Bundesrat jeweils 16 Mitglieder und 16 Stellvertreter in die Kommission entsandt. Von den Teilnehmern des Bundestages gehören vier der Bundesregierung an. Dies sind Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (beide CDU) sowie Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (beide SPD). Mit Rede- und Antragsrecht, jedoch ohne Stimmrecht nehmen stets vier Abgeordnete aus den Landtagen an den Sitzungen der Kommission teil. Da die Kommunen von der Reform in großem Maße betroffen sein werden, ist strittig, in welcher Weise sie an der Arbeit der Kommission beteiligt werden sollen. In dem gemeinsamen Antrag zur Einsetzung der Föderalismuskommission von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP heißt es dazu, daß diese in "geeigneter Weise einbezogen" werden sollen.

Vor allem wird sich die Kommission mit der Haushaltswirtschaft und hier insbesondere mit der Bewältigung von Haushaltskrisen und dem Aufbau eines Frühwarnsystems beschäftigen. Auf ein solches System drängen vor allem die reicheren Bundesländer, allen voran die Bayern unter Ministerpräsident Stoiber. Er fordert, daß das einzurichtende System Alarm schlagen müsse, wenn ein Land zu hohe Schulden macht. Wer darauf nicht reagiere, müsse nach Ansicht Stoibers mit Strafen rechnen. In diese Kerbe schlägt auch Bundesfinanzminister Steinbrück, der eine Verschuldungsregel ähnlich dem Stabilitätspakt der Europäischen Union im Grundgesetz installieren will, die auch Sanktionsmöglichkeiten biete. Des weiteren sieht die Themensammlung vor, daß sich die Kommission neben der Entbürokratisierung und Effizienzsteigerung mit der Stärkung aufgabenadäquater Finanzausstattungen und der Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften sowie der Erleichterung des freiwilligen Zusammenschlusses von Ländern befaßt. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer hält die "Kleinstaaterei" für nicht mehr zeitgemäß und regt daher den Zusammenschluß von Bundesländern an.

Oettinger fordert mehr Rechte für die Länder

Uneinigkeit herrscht in erster Linie über den Hauptpunkt des zweiten Reformabschnittes, die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. So plädiert Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger dafür, den Ländern mehr Rechte bei der Steuererhebung zuzugestehen, da diese bis jetzt überwiegend Kompetenzen zum Geldausgeben haben. Bei den Einnahmen seien die Spielräume zu gering, kritisiert Oettinger und fordert für die Länder eine Kompetenz zur Nachregulierung der Steuersätze. Dies lehnt Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) mit der Begründung ab, daß dies zu einem gefährlichen Wettbewerbsföderalismus führe.

Unterdessen will Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) eine Art Nord-Bündnis formieren, das mit vereinten Kräften die Ziele der nördlichen Bundesländer durchsetzen kann. Da es nun anders als im ersten Teil der Föderalismusreform ums Geld geht, kann ein schwerer Schlagabtausch erwartet werden, bis die Kommission zu realisierbaren Ergebnissen kommt, die sowohl partei- als auch Bund-Länder-übergreifend getragen werden.

Foto: Bund-Länder-Beziehungen als Gordischer Knoten: Die Politiker versuchen, die Kompetenzen zu entwirren


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