© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/07 02. März 2007

Frisch gepresst

Ernst Cassirer. Farbenprächtige Bildbände über die Landschaften an Nord- und Ostsee machten lange Zeit das Kerngeschäft des Hamburger Verlages Ellert & Richter aus. Bis man dann mit der von der Zeit-Stiftung finanzierten Reihe „Hamburger Köpfe“ auch das akademische Lesepublikum bediente und in Konkurrenz zu den im benachbarten Reinbek produzierten „rororo-Monographien“ des Rowohlt Verlages trat. Als eine erweiterte Rowohlt-Monographie präsentiert sich auch der neueste Band der „Hamburger Köpfe“, der dem deutsch-jüdischen Kulturphilosophen Ernst Cassirer (1874–1945) gilt. Dessen Werke, von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft nachgedruckt, ruhten noch bis in die achtziger Jahre wie Blei in den Darmstädter Lagerregalen. Heute sehen die Absatzzahlen der mit viel Zeit-Knete seit 1998 nochmals nachgedruckten 26bändigen, ultrateuren „Leseausgabe“ auch nicht viel besser aus. Aber Cassirer ist inzwischen in Mode gekommen. Der 1933 emigrierte Denker ist an die Stelle von Walter Benjamin zum Hausgott des „kritischen Intellektuellen“ aufgerückt, sein Werk liefert den Stoff für eine unabsehbare Reihe philosophischer Doktorarbeiten. Sich hier bruchlos einfügend und der Hochglanzausstattung angemessen, hat sich Thomas Meyer erfolgreich um eine hagiographische Cassirer-Darstellung bemüht, die mit einem passenden Nachwort schließt (Ernst Cassirer, Ellert&Richter, Hamburg 2006, gebunden, 296 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro).

Deutsche in Argentinien. Bereits im Jahr 1536 sind erste Einwanderer aus dem deutschsprachigen Raum in das Land am „Silberfluß“ Rio de la Plata nachweisbar. Wie im Haupteinwanderungsland USA waren die eruptiven Einwanderungsströme hauptsächlich im 19. Jahrhundert, den zwanziger Jahren, unmittelbar nach 1933 für NS-Emigraten und nach 1945 Flüchtlinge aus der zerstörten Heimat aber auch vor der alliierten NS-Strafverfolgung. Die Präsenz letzterer in der Nachkriegsberichterstattung ließ diese Gruppe sogar bei vielen als Synonym für Argentiniendeutsche erscheinen. Ulrich Sackstedt, Lehrer und Globetrotter, stellt anhand von einem Dutzend Porträts die facettenreichen Wurzeln der Deutsch-Argentinier vor. Trotz aller Unterschiede sticht heraus, daß die überdurchschnittlich erfolgreichen Deutschen im kulturell gegenüber den USA fremderen argentinischen Umfeld auch beharrlicher die eigene Sprache und Kultur pflegten – vielfach bis heute (Weites grünes Land. Auswanderergeschichten aus Argentinien. Fernweh-Schmöker im Conrad-Stein-Verlag, Welver 2006, broschiert, 175 Seiten, Abbildungen, 8,90 Euro).

Deutsche in Brasilien. Einer der ausgewiesensten Kenner des Auslandsdeutschtums, der lange Jahre in Toronto lehrende Germanist Hartmut Fröschle, hat in einer prägnanten Zusammenstellung die seit 1824 bestehende Siedlungsgeschichte nachgezeichnet, der fünf Millionen Brasilianer heute ihre Abstammung verdanken. Fröschle beschreibt die heterogene Geschichte der auf verschiedene Bundesstaaten verteilten Niederlassungen, von denen sich die größten wie die Stadt Blumenau mit dem überregional bekannten „Oktoberfest“ und der museal anmutenden Architektur südlich von São Paulo befinden. Stärker als in Argentinien konnte sich lange Jahre in den fast geschlossen wirkenden „Sprachinseln“ mit einer reichen kulturellen Vielfalt über Vereinsleben, Kirche und deutscher Schule die Identität des Ursprungslandes erhalten. Dennoch beobachtet Fröschle, daß sich die bis zum 1938 erlassenen Sprachverbot gelebten Mundarten wie pommersches Platt oder Hunsrücker Dialekt – wie Deutsch heute allgemein – von der jüngeren Generation kaum noch gepflegt werden (Die Deutschen in Brasilien einst und jetzt. Eckartschrift 183, Österreichische Landsmannschaft, Wien 2006, broschiert, 111 Seiten, Abbildungen, 7,80 Euro).


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