© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/07 02. März 2007

Waffe der Partisanen
Politische Zeichenlehre XVII: Maschinenpistole / Gewehr
Karlheinz Weissmann

Waffen, die als Symbole dienen, stellen im allgemeinen Anachronismen dar. Das ist schon in antiken Gesellschaften zu beobachten, etwa an den Sichelschwertern, die die ägyptischen Pharaonen weiter als Insignie verwendeten, obwohl sie längst außer Gebrauch gekommen waren, oder an den Doppeläxten minoischer Herrscher, die auch durch ihre Übergröße jede Nutzung ausschlossen. Heute finden sich noch Dolche und Schwerter in allen möglichen militärischen Abzeichen und Dekorationen, obwohl sie mit moderner Kriegführung gar nichts mehr zu tun haben.

Ein symbolischer Vorbehalt scheint sich vor allem gegen Feuerwaffen zu richten. Pistolen oder Revolver spielen gar keine Rolle, Gewehre (mit oder ohne Bajonett) findet man gelegentlich als Beizeichen in den Wappen lateinamerikanischer oder schwarzafrikanischer Republiken, sonst aber nicht.

Eine Ausnahme von dieser Regel macht nur die Maschinenpistole bzw. das Sturmgewehr. Jedenfalls hat sie seit den siebziger Jahren eine Karriere als Symbol linker Befreiungsbewegungen durchlaufen.

Am charakteristisch gebogenen Magazin ist die Maschinenpistole häufig als Kalashnikow zu erkennen, so genannt nach dem Erfinder Michail Kalashnikov, der diese Waffe 1944 für die sowjetische Armee entwickelte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie in allen Streitkräften des Ostblocks übernommen und gelangte auch in den Stellvertreterkriegen zum Einsatz, die Moskau in der „Dritten Welt“ führen ließ.

So erklärt sich wahrscheinlich die Verbreitung in der Emblematik aller möglichen Partisanengruppen von den Volksfedayin, die gegen die Mullah-Herrschaft im Iran kämpfen, bis zur radikal-islamischen Hisbollah („Partei Gottes“) im Nahen Osten, von der peruanischen Guerilla Tupac Amaru (zum „V“ für „Victoria“ zusammengestellt mit einem Stern) bis zu einer Bürgerkriegsarmee des Tschad.

In Europa machte in den achtziger Jahren immerhin eine portugiesische „Volksarmee“ mit Anschlägen von sich reden, die die Kalashnikov als Symbol verwendete, und sonst spielte sie noch eine Rolle bei den Demonstrationen und in der Ikonographie der baskischen Untergrundorganisation ETA oder der IRA (Irish Republican Army).

Auffällig ist demgegenüber, daß die Rote Armee Fraktion (RAF) in Deutschland zwar eine Maschinenpistole, aber erkennbar keine Kalashnikov zeigte.

Dabei hatte ihr Emblem formal eine starke Übereinstimmung mit der sowjetischen Symbolik, insofern es aus dem fünfzackigen Stern mit den Buchstaben „RAF“ und der aufliegenden Waffe bestand. Die Aussage war eindeutig: Der Stern war als „Sowjetstern“ unmittelbar auf die kommunistische Zielsetzung bezogen, die mit gewaltsamen Mitteln – durch Aufstellung einer „Roten Armee“, als deren Kern sich die RAF betrachtete – erreicht werden sollte.

Sehr wahrscheinlich wurde das Symbol im Umfeld der Baader-Meinhof-Bande selbst entwickelt, vielleicht stammte der erste Entwurf von Holger Meins. Zu den aufschlußreichen Bizarrerien jener Jahre gehörte allerdings, daß Baader sich an den linken Szene-Graphiker Holm von Czettritz wandte mit der Bitte, das Abzeichen „gefälliger“ zu gestalten. Von Czettritz soll nach eigener Aussage abgelehnt haben, was den immer etwas improvisierten Charakter der Darstellung erklärt (die allerdings wesentlich professioneller war als die der italienischen Roten Brigaden, deren asymmetrisches Pentagramm im Kreis etwas von einer Kinderzeichnung hatte).

Baaders Wunsch nach einer gekonnteren Symbolform hing wahrscheinlich nicht nur mit seinem – ausgeprägten – Selbstdarstellungsbedürfnis zusammen, sondern auch mit der Vorstellung, daß die „Volksrevolution“, die die RAF anstrebte, irgendwann eine Massenpropaganda notwendig machen würde, auf die man vorbereitet sein wollte.

Dazu ist es bekanntermaßen nicht gekommen. Das RAF-Symbol wurde außerhalb eines sehr beschränkten Sympathisantenkreises niemals verwendet, es verknüpfte sich für die große Mehrheit der Bevölkerung immer nur mit den „Bekennerschreiben“, die nach terroristischen Attentaten und Entführungen auftauchten.

Neuerdings ist es in das öffentliche Bewußtsein zurückgekehrt wegen der Debatte über die Begnadigung der inhaftierten Terroristen. Die Sorge, daß es größere Anziehungskraft entwickeln könnte als in den siebziger Jahren, erscheint kaum begründet – genausowenig wie der einsame Vorstoß der CDU-Sachsen, mit dem RAF-Stern nun auch einmal ein linkes Symbol zu verbieten.

Foto: Wappen der Hisbollah

Die JF-Serie „Politische Zeichenlehre“ des Göttinger Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.


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