© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/07 02. März 2007

Vorgeschmack auf die heiße Phase
Parteien: Mit den Stichworten „Sicher, Sauber, Schuldenfrei“ zieht „Bremen muß leben“ in den Wahlkampf / Deutliche Abgrenzung zur DVU
Marcus Schmidt

Joachim Siegerist will es wissen. Am 13. Mai tritt der ehemalige Springer-Journalist und Vorsitzende des Vereins „Die Deutschen Konservativen“ mit seine Wählerinitiative „Bremen muß leben“ bei der Bürgerschaftswahl in der Hansestadt an.

Für Siegerist und seinen Verein, als dessen Bremer Landesverband die Wählerinitiative fungiert, bedeutet der Wahlantritt einen tiefen Einschnitt. Während die Deutschen Konservativen in der Vergangenheit zumeist Lobbyarbeit im vorpolitischen Raum betrieben haben, stellen sie sich nun auf offener Bühne dem politischen Schlagabtausch – mit allen Konsequentzen. „Wenn wir scheitern, ist das auch für mich persönlich eine Niederlage“, sagt Siegerist, der trotz aller Unwägbarkeiten und des übermächtigen Schattens Ronald Schills, der 2001 in Hamburg aus dem Stand 19,4 Prozent holen konnte, von dem Erfolg seiner Mission und dem Einzug in die Bürgerschaft überzeugt ist. „Ich bin mit der Politik in Deutschland kreuzunglücklich“, begründet der 60jährige das Engagement in seiner Heimatstadt.

Einen Vorgeschmack auf die heiße Phase des Wahlkampfes haben Siegerist und seine Mitstreiter bereits bekommen, seitdem sie im Oktober vergangenen Jahres ihren Antritt angekündigt haben (JF 42/06): ein Anzeigenboykott durch den einflußreichen Weserkurier, plötzlich gekündigte Veranstaltungsräume und – als bisherigen Höhepunkt – die juristisch zweifelhafte Weigerung des Bremer Senats, der Wählerinitiative den Rathaussaal zur Verfügung zu stellen.

Doch Siegerist ist von diesem Geplänkel nicht überrascht, fast scheint es, als habe er die hilflos wirkenden Reaktionen der politischen Gegner in seine Wahlkampagne mit eingeplant. „Unsere Gegner haben alle Fehler gemacht, die sie machen konnten“, bilanziert er die ersten Gefechte. Die öffentliche Aufmerksamkeit, die seiner kleinen Truppe bereits jetzt zuteil geworden sei, und die Bekanntschaft, die sie dadurch bei den Wählern erlangt habe, sei unbezahlbar.

Doch die neue Gruppierung ist nicht alleine auf die Schützenhilfe des Gegners angewiesen. „Bremen muß leben“ kann auf das kleine, aber eingespielte und bestens ausgestattete Hamburger Büro der Deutschen Konservativen zurückgreifen, das mittlerweile auch in Bremen Räume bezogen hat.

Neben Siegerist, der in Bremen als Spitzenkandidat ins Rennen geht, kandidiert der Berliner Journalist Ronald Gläser (33) in Bremerhaven. Diese „Doppelkandidatur“ ist den Besonderheiten des Bremer Wahlrechts geschuldet. Am 13. Mai werden nicht nur die Abgeordneten der Bremer Bürgerschaft, sondern auch die Stadtverordneten von Bremerhaven gewählt.

Siegerist will ohne große Veranstaltungen oder Wahlstände um die Stimmen der Wähler kämpfen. Mit einer Ausnahme: Im April soll der Kärntner Landeshauptmann und ehemalige FPÖ-Vorsitzende Jörg Haider die Aufmerksamkeit der Bürger auf die Partei lenken. Die Veranstaltung werde auf jeden Fall stattfinden, versichert Siegerist – auch wenn es nicht gelingen sollte, vor Gericht die Nutzung des Rathaussaales zu erstreiten.

Ansonsten setzt „Bremen muß leben“ darauf, die Wähler direkt anzusprechen. In dieser Woche flatterte den 300.000 Bremer Haushalten das zweite Rundschreiben der Wählerinitiative ins Haus. Bereits im Januar hatten alle Hansestädter von Siegerist Post bekommen. Mit den in einem sehr persönlich Stil gehaltenen Briefen will er die Wähler von den Zielen seiner Gruppierung überzeugen, die mit den Schlagworten „Sicher, Sauber, Schuldenfrei“ in den Wahlkampf geht. Anleihen für dieses puristisch anmutende Wahlprogramm hat Siegerist unter anderem beim deutschen Bürgermeister von Hermannstadt im rumänischen Siebenbürgen genommen. Klaus Johannis habe nach seinem Wahlsieg im Jahr 2000 Straßenfeger eingestellt, um die Straßen der Stadt sauber zu halten, erzählt Siegerist. Dies sei ein symbolischer Aufbruch gewesen, der den wirtschaftlichen Erfolg nach sich gezogen habe. Mittlerweile platzen die Gewerbegebiete in Hermannstadt aus allen Nähten. Davon sei Bremen noch weit entfernt.

Der neueste Brief der Wählerinitiative ist dem Stichwort „Schulden“ gewidmet. Auf der Rückseite des Schreibens sind unter der Überschrift „Vorsicht, Schuldenmacher“ prominente Bremer Politiker mit ihren Gehältern aufgeführt. Dort steht etwa zu lesen, daß der langjährige Bürgermeister Henning Scherf (SPD) zwischen 2000 und 2006 760.272 Euro verdient hat. Im selben Zeitraum seien die Schulden der Stadt um mehr als vier Milliarden Euro gestiegen: Zahlen, da ist sich Siegerist sicher, die die Wähler der hochverschuldeten Stadt die Wahlentscheidung erleichtern werden.

Wie von Siegerist erwartet, hat seine bürgerlich-konservative Wählerinitiative von den anderen Parteien und den Medien bereits das Etikett „Rechtsextremisten“ verpaßt bekommen – obwohl er etwa das Reizthema Ausländerpolitik bewußt aus seinem Wahlkampf heraushalten will. Siegerist versucht gegenzusteuern, auch um sich von der DVU abzugrenzen, die seit Jahren in Bremen das Feld rechts von der CDU beherrscht und seit 1987 in der Stadtverordnetenversammlung von Bremerhaven vertreten ist. „Wer sauer ist auf die Regierung – verständlich. Aber bitte: Keine Stimme für den braunen Sumpf“, heißt es in einer aktuellen Wahlkampfanzeige von „Bremen muß leben“.

Siegerist hat zudem angekündigt, auch Sozialdemokraten auf der Liste von „Bremen muß leben“ kandidieren zu lassen. „Mir waren konservative Sozialdemokraten immer lieber als linke CDU-Leute“, sagt er und blickt über den 13. Mai hinaus: „Wenn wir in Bremen Erfolg haben“, sagt Siegerist, „treten wir in Hamburg an.“ Auch eine Kandidatur auf Bundesebene sei dann nicht mehr ausgeschlossen.

Foto: Der Roland in Bedrängnis: Statt mit einem Parteilogo wirbt die Wählerinitiative mit Zeichnungen des Bremer Wahrzeichens


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