© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/07 23. Februar 2007

Multikulti im Rheinland
Ausstellung in Bonn: Von den Göttern zu Gott
Manfred Müller

Die Ausstellung "Von den Göttern zu Gott. Frühes Christentum im Rheinland" im Rheinischen Landesmuseum Bonn hat es in sich. Sie stellt mit ca. 250 Exponaten (u.a. Steinmonumente, Waffen, Goldgläser, Fibeln, Schmuck, Münzen, Modelle) die kulturell-religiösen und politisch-gesellschaftlichen Umbrüche im Rheinland zwischen dem 4. und 8. Jahrhundert dar: gewaltsame und friedliche Einwanderung, ethnische Überlagerung, wechselseitige Durchdringung von Kulten und Religionen. Aufmerksam-kritischen Besuchern müßten die zum Teil erschreckenden Parallelen zu unserer Zeit mit ihren Einwanderungsströmen und vielfältigen Multikulti-Erscheinungen auffallen.

Die Ausstellung zeigt die bedeutendsten und schönsten Funde aus dem Gebiet zwischen Xanten und Worms und rückt sie (mit Hilfe von Texttafeln und filmischer Aufbereitung des Stoffs) in den historischen Kontext, wie ihn die Forschung der letzten zwanzig Jahre erschlossen hat.

Unter römischer Herrschaft lebte am Rhein eine romanisierte keltisch-germanische Mischbevölkerung in ständiger Berührung mit Menschen aus der bunten Völkerwelt des Imperiums: den Soldaten in den Militärlagern, den Kaufleuten, Handwerkern und Sklaven in den Lagervorstädten, den Veteranen und ihren landwirtschaftlichen Helfern in den agrarischen Gebieten.

Immer stärkere germanische (vor allem: fränkische) Invasionen und die oft hilflos wirkenden Versuche, die Eindringlinge in die Reichsverteidigung einzubinden, führten um 450 (im Zusammenhang mit zahlreichen Niedergangserscheinungen des Imperiums) zum Ende der Römerherrschaft an Rhein und Mosel. Jedoch erhielten sich viele antike Traditionen, da nur ein Teil der romanischen Bevölkerung in den Kämpfen umkam oder das Land verließ.

Langwieriger Prozeß der Christianisierung

Das spätantike römisch-katholische Christentum, das sich bei den Romanen im Rheinland gegen die römische Götterwelt und den Kaiserkult, gegen die Religion des Sol Invictus, des Mithras und andere Mysterienkulte durchgesetzt hatte, erfaßte die fränkischen Eroberer (Konversion des Frankenkönigs Chlodwig um 500). Zahlreiche Exponate mit christlichen Symbolen und Darstellungen belegen den langwierigen Prozeß der Christianisierung der heidnisch-germanischen Franken. Ihnen imponierten die Jenseits-Verheißungen des Christentums und ein heldischer Christus, wie ihn die fränkische Grabstelle von Niederdollendorf (2. Hälfte des 7. Jahrhunderts) zeigt: ein bewaffneter, machtvoller Christus, der sich triumphierend über verschlungene Tierleiber, die bedrohlichen Mächte der Unterwelt, erhebt.

Der Grad der Entchristlichung, der heute (nicht nur) im Rheinland herrscht, ist gut ablesbar an dem "Begleitheft für Kinder"; hier geht man davon aus, daß die Kinder so gut wie gar nichts über das Christentum wissen.

Foto: Goldener Fingerring des 4. Jahrhunderts aus Trechtingshausen bei Bingen mit Christogramm

Die Ausstellung "Von den Göttern zu Gott - Frühes Christentum im Rheinland" ist bis zum 15. April täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, Mi. bis 21 Uhr, im Rheinischen Landesmuseum in Bonn, Colmantstr. 14-18, zu sehen. Tel. 02 28 / 20 70-0


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