© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/07 23. Februar 2007

Regeln für Heuschrecken unabdingbar
Geldpolitik: Der Internationale Währungsfonds muß die Aufgaben einer globalen Finanzpolizei übernehmen
Wilhelm Hankel

Jetzt warnen sie alle: der G7-Gipfel der Finanzminister auf seiner Essener Tagung, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), die britische Finanzmarktaufsicht. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) freut sich, das Thema "besetzt" zu haben, und sein Parteifreund, Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, glänzt mit einem Zeit-Beitrag (6/07) in seiner Lieblingsrolle, andern das eigene Versagen vorzuhalten - die mangelnde Vorsicht im Umgang mit einem hochspekulativem Kapitalmarktprodukt, den Hedgefonds (JF 25/05).

Ihre Invasion droht seit Schmidts erfolgreicher Attacke auf das Weltwährungssystem von Bretton Woods im Frühjahr 1973, wenige Monate vor Ausbruch der Ölkrise. Damals wurden die Weltfinanzmärkte von ihrer Aufsicht durch Behörden, Zentralbanken und den Internationalen Währungsfonds (IWF) befreit. Seitdem können sich ihre Akteure aussuchen, von welchem - vor der Finanzpolizei sicherem - Hafen aus sie ihre Geschäfte betreiben, die seriösen wie die dubiosen. Was die besorgten Finanzlenker von heute als ernste Gefahr für die Stabilität des Weltfinanzsystems, als Angriff gefräßiger "Heuschrecken" auf von der Zuführung frischen Betriebskapitals angewiesene Mittelstandsunternehmen und als unverantwortliches Abenteuer von in ihrer Finanznot im Stich gelassene Städte und Gemeinden brandmarken und lauthals verdammen, das war für sie seinerzeit "die größte finanztechnische Innovation der Neuzeit" - so Schmidts damaliger Chefberater von der Deutschen Bank.

Auch Absicherung seriöser Firmen und Geschäftsleute

Inzwischen hat sich die Realität an den Weltfinanzmärkten - sie galten einmal als die kritischsten und vorsichtigsten Märkte der Welt - zu einer Geschichte aus Tolkiens "Herr der Ringe" entwickelt. Das an diesen Märkten jährlich umgesetzte Finanzvolumen würde ausreichen, rund 30 Welt-Bruttoinlandsprodukte und neunzigmal den Welthandel zu finanzieren - eine in der Tat abenteuerliche Vorstellung. Nur leider ist sie Realität.

Doch nicht alles, was mit diesem Geld geschieht, ist Spielhölle und wüste Spekulation. Die Milliardenrisiken der Hedgefonds enthalten auch die Absicherung seriöser Unternehmen und Geschäftsleute, die sich außerstande sehen, diese Risiken selbst zu tragen und zu finanzieren. Die Hedgefonds nehmen sie ihnen ab. Nicht umsonst, denn für ihr Risiko wollen ihre Geldgeber Rendite sehen. Ohne die wie Pilze aus der Erde schießenden Beteiligungskapitalgeber (Private Equity Fonds) hätte so manches Mittelstandsunternehmen längst Konkurs anmelden und seine Leute entlassen müssen. Diese Fonds sind der Kapitalmarkt der Klein- und Mittelstandsunternehmen, die zwar 80 Prozent der Ausbildungs- und 70 Prozent der Arbeitsplätze stellen dürfen, aber an der Börse entweder nicht zugelassen oder unterrepräsentiert sind. Nur ein Prozent der deutschen Firmen (die größten) kann billiges Emissionsgeld dort tanken, der "Rest" (99 Prozent) ist auf teure Bankkredite angewiesen.

Und die Städte und Gemeinden, die jetzt reihum ihren sozialen Wohnungsbestand an "Heuschrecken" verscherbeln? Sie warten noch immer auf das Versprechen der ersten Großen Koalition (das ihnen der damalige Bundesfinanzminister Franz Josef Strauß und Wirtschaftsminister Karl Schiller gaben), ihren Anteil am Steueraufkommen der Nation ihrer Leistung für das Gemeinwohl anzupassen. Sie dürfen zwar für zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen aufkommen, diejenigen, die dem Bürger unmittelbar zugute kommen wie Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, die Müllabfuhr oder Abwässerreinigung. Doch die Steuereintreiber der Nation (Bund und Länder) speisen sie mit einem Achtel vom Steuerkuchen ab und haben ihre Beuteverteilung in der "Föderalismusreform" auch noch festgeschrieben. Auch hier springen Heuschrecken in die Bresche: die Private-Public-Partnership oder PPP-Fonds, soweit es die Dienstaufsicht der Länderfinanzminister zuläßt.

Ohne globale Finanzaufsicht droht der nächste Crash

Aber läßt sich in dieser Finanzwelt überhaupt noch etwas reparieren? Ist das Platzen der Weltfinanzblase - Folge der irrationalsten Geldverwendung und -verschwendung aller Zeiten - noch zu vermeiden? Probleme, die man mit Sachverstand analysiert und auf den Punkt bringt, kann man auch lösen. Den Akteuren der Weltfinanzmärkte (Banken, Fonds und anderen Anbietern spekulativer Finanzprodukte) sind dem deutschen Kreditwesengesetz (KWG) nachgebildete Richtwerte für ihr Geschäft vorzugeben. Kredite und Finanztitel, die nicht der Finanzierung realer Geschäfte und Risiken dienen, sind zu begrenzen, ebenso der Kreditkauf von Aktien sowie die Kreditfinanzierung von Unternehmensbeteiligungen. Doch wer beschließt solche Regelungen und kontrolliert ihre Einhaltung im globalen Finanzdschungel?

Beim IWF in Washington treffen sich regelmäßig die fast 200 Zentralbanken der Erde und deren Regierungen zum Gedankenaustausch. Der IWF braucht ein Mandat, das seine Besucher autorisiert, die gemeinsam beschlossenen Regeln zu Hause umzusetzen und Verstöße gegen sie zu bestrafen. Der IWF würde zur Schaltstelle einer weltweiten "Finanz-Interpol", Schmidts Fehler als Bundesfinanzminister wäre aus der Welt. Kommt eine globale Finanzaufsicht nicht zustande, wird nach dem nächsten Finanzcrash jeder fragen: Warum hat man sie nicht früher geschaffen? Hieße der Alt-Kanzler Schmidt nicht Helmut, sondern Harald mit Vornamen, könnte er scherzen: Die meisten Kurzschlüsse verursacht eben doch der Elektriker.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel lehrt seit 1967 Währungspolitik an der Universität Frankfurt am Main. Er war unter Karl Schiller Chef der deutschen Bank- und Versicherungsaufsicht.


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