© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/07 23. Februar 2007

"NPD als politischer Gegner"
Institut für Staatspolitik: Verschieben sich die Gewichte nach rechts? / Eine Tagung mit lebhafter Diskussion / 13. Berliner Kolleg
Michael Kreuzberg

Zu einer lebhaften Diskussion über den Umgang mit der NPD kam es auf dem 13. Berliner Kolleg des Instituts für Staatspolitik (IfS) am vergangenen Samstag in Berlin. Die Tagung hatte sich einer konservativen "Bestandsaufnahme" widmen wollen. Zur Erörterung der Frage "Wo stehen und was wollen wir?" waren über 180 Zuhörer aus ganz Deutschland gekommen. Offensichtlich herrscht an der Klärung dieser Frage großes Interesse.

Das Verhältnis konservativer Publizisten und Intellektueller zur inzwischen in zwei Landtagen vertretenen NPD stand im Mittelpunkt des Gespräches über "Projekte, Strategien und Erfolge" zwischen Dieter Stein, Chefredakteur dieser Zeitung, und Götz Kubitschek, dem Leiter des Institutes. Stein forderte dazu auf, zu klären, weshalb es im Moment einer verschärften Krise des Parteienstaates, die eine Alternative von rechts geradezu herausfordere, "zum Aufstieg ausgerechnet der NPD" habe kommen können, einer Partei, deren Nähe zum Dritten Reich "man nicht entlarven" müsse, weil sie sich ungeschminkt dazu bekenne.

Stein plädierte nicht für Gesprächsverbote, betonte aber, wenn überhaupt müsse die Auseinandersetzung mit der NPD offensiv geführt werden. Hierbei sehe er jedoch "nur einen einzigen Weg", nämlich ihren "katastrophalen geschichtspolitischen Ansatz" bloßzustellen: "Sie sieht sich unumwunden in der Tradition des Nationalsozialismus, sie will den vermeintlich guten Kern des Dritten Reiches retten, in ihren Publikationen verhöhnt sie den nationalkonservativen Widerstand, in dessen Tradition wir uns sehen, und feiert Otto Ernst Remer, der den 20. Juli 1944 niedergeworfen hat als Helden." Nicht desorientierte Jugendliche in mitteldeutschen Problemgebieten seien das Hauptproblem der NPD, sondern "das sie in ihren intellektuellen Köpfen an der Spitze repräsentierende Milieu", das jedem positiven nationalen Ansatz nicht nütze, sondern schade. Die NPD sei infolgedessen "ein politischer Gegner", so Stein.

Ausgelöst hatte die IfS-Debatte ein kontrovers diskutiertes Interview, das Kubitschek dem NPD-Blatt Deutsche Stimme gegeben hatte und in dem er die Partei für ihre Feindschaft zum politischen System der Bundesrepublik scharf kritisiert hatte.

Kubitschek indes unterstrich die institutionelle Unabhängigkeit des Instituts von Parteien und arbeitete in einem eigenen Vortrag die Gestalt eines "Collegium dextrum oder Konservativismus für Anfänger" heraus. Bei der Institutsarbeit gehe es darum, junge Menschen von "Überspanntheit, Selbstüberschätzung und vom politischen Rausch" abzubringen und an solide Grundlagenarbeit heranzuführen.

Kubitschek forderte, an die Stelle des politischen "Stürmers" müsse der vorsichtig hegende "Gärtner" treten. Erst dann wäre die Chance gegeben, dem "Chaos" eine "Form" zu geben. Der Blick werde frei für konkrete Taten, konkrete Verwirklichungen: "An der Durchführung haftet das Würdegefühl des Realisten." In diesem Sinne beabsichtige das IfS auf junge Menschen einzuwirken, auch durch die Gründung einer Art Akademie komplett mit Jahrgängen und Abschlüssen. Zusätzlich soll eine geplante Anthologie Kerntexte des "Rechts-Seins" in diesem Sinne versammeln.

Institutsleiter Karlheinz Weißmann hatte eingangs ein allmähliches Vordringen konservativer Positionen in einen öffentlichen Diskurs festgestellt, der nach einem Wort Frank Schirrmachers bislang immer mit den Namen "Habermas" und "Stoiber" begrenzt worden sei. Der Sturz Stoibers und der Angriff der Zeitschrift Cicero auf den Philosophen ("Vergeßt Habermas!") markierten aber eine neue Phase. Wolfram Weimers Zeitschrift Cicero bleibe jedoch in Unverbindlichkeit und ironischer Attitüde stecken. "Den relativen Erfolg am Markt" verdanke das Magazin "der ungeschriebenen Regel, ernste Fragen zu meiden, nicht nach den Verantwortlichen für die Misere zu suchen, die tatsächlichen Mängel der Politischen Klasse zu beschweigen und Möglichkeiten gründlicher Abhilfe undiskutiert zu lassen". Ähnlich hilflos ins Leere rudern letztlich auch Hans Jörg Henneckes "Die dritte Republik" und Jens Hackes "Philosophie der Bürgerlichkeit", eine "liberalkonservative Begründung der Bundesrepublik", beides Versuche, der "Neuen Mitte" eine geschichtliche und politische Grundlage zu geben.

Einen ironischen Lagebericht erstattete General a. D. Gerd Schultze-Rhonhof, der 2003 eine Studie gegen den Mythos der deutschen Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg veröffentlichte: "1939 - Der Krieg, der viele Väter hatte". Deren Verkaufserfolg steht in markantem Gegensatz zur öffentlichen Rezeption, die sich in der Regel zwischen Totschweigen und Diffamierung bewegte. Auf einer eigens eingerichteten Internetseite ( www.vorkriegsgeschichte.de ) stellt Schultze-Rhonhof seine Thesen nun auch in kompakter Form zur Diskussion. 

Foto: Debatte: Stein (l.) und Kubitschek problematisieren die NPD


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