© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/07 16. Februar 2007

Umdenken im Straßenverkehr nötig
EU: Fragwürdiger Kompromiß über CO2-Auflagen für Pkw / Breite Maßnahmen zum Klimaschutz in allen Bereichen entwickeln
Michael Weis

Die EU-Kommission hat mit ihrem letzte Woche vorgelegten Strategiepapier erstmals einen verbindlichen Grenzwert für den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxid (CO2) bei Autos vorgeschlagen. Die eigentlich vorgesehene Obergrenze von 120 Gramm CO2 pro Kilometer wurde - nach Intervention aus Berlin - nach oben gesetzt, und es sieht danach aus, als ob eine weitere Differenzierung des zulässigen Schadstoffausstoßes von den Fahrzeugklassen abhängen wird. Die Hersteller sollen nun die CO2-Emissionen ihrer Autos über eine verbesserte Motortechnik auf 130 Gramm drücken. Eine Senkung des Ausstoßes um weitere zehn Gramm soll unter anderem durch die Anrechnung von Biokraftstoff, modernere Reifen und eine verbesserte Kraftübertragung erreicht werden.

Obergrenzen differenziert nach Fahrzeugklassen

Umweltverbände laufen Sturm gegen den Kompromiß und werfen den Verantwortlichen ein Einknicken vor den Interessen der Industrie vor. Sie fordern deutlich härtere Regelungen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) wies ferner auf eine neue Studie hin, die zeige, daß der Hauptgrund für die Schwierigkeiten der deutschen Autoindustrie, Emissionen einzusparen, die "Verdieselungsstrategie" bei Gelände- und Luxuswagen sei.

Weil das Fahrzeuggewicht steige - entsprechende Audi- und VW-Modelle sind seit 2001 um 130 Kilogramm, Porsche-Modelle um mehr als 300 Kilogramm schwerer geworden -, müssen ihre Motoren immer größere Leistungen erbringen. In der Folge stiegen die CO2-Emissionen deutscher Dieselautos auf über 170 Gramm pro Kilometer - 20 Gramm über dem EU-Schnitt.

Dennoch sind CO2-Obergrenzen - auch differenziert nach Fahrzeugklassen - nicht das wirksamste Mittel für den Umweltschutz. Denn nicht der potentielle CO2-Ausstoß eines Autos belastet das Klima, sondern der durch den individuellen Treibstoffverbrauch verursachte tatsächliche CO2-Ausstoß. Ein wenig oder sparsam gefahrenes Auto der Ober- oder Mittelklasse schadet dem Klima weniger als ein rasender Kleinwagen im Dauereinsatz. Und letztendlich entscheidet der Verbraucher darüber, welches Auto er wie fährt - daraus folgt, daß die Emissionsverringerung ein Umdenken aller erfordert. Selbst wenn EU-Firmen zum Bau von emissionsärmeren PKW verpflichtet würden, wäre dies keine Garantie dafür, daß auch der tatsächliche CO2-Ausstoß verringert würde.

Unter den 25 meistverkauften Automodellen des deutschen Marktes sind nur sieben Benziner, die in der Nähe der Vereinbarungsmarke liegen. Denn die Kunden kaufen keine Sparmobile, sondern große und vor allem sichere Autos. Auch die deutschen Exportkunden in den USA, Japan, Rußland, Dubai oder Brasilien kaufen bevorzugt deutsche Qualitätsautos, deren Emissionen über den jetzt diskutierten Grenzen liegen. Würden Audi, BMW &Co. wie Renault oder Fiat hauptsächlich Kleinwagen produzieren und so die Höchstgrenze einhalten, würde der Absatz in Deutschland produzierter Autos aber rapide sinken. Die gefragten Premiummodelle würden weiterhin hergestellt - allerdings dort, wo keine starren CO2-Grenzen gelten.

Aus umweltpolitischer Sicht versprechen andere Strategien mehr Erfolg - denkbar wäre etwa eine von der EU-Kommission verabschiedete Richtlinie, die vorschreibt, daß bis 2020 mindestens zehn Prozent des Benzins Äthanol enthalten muß. Zudem würden die Ölkonzerne verpflichtet, die Emissionen bei der Weiterverarbeitung zu senken.

Mehr Umweltschutz statt mehr Sozialneid notwendig

Nach Schätzungen der Brüsseler Experten können die CO2-Emissionen dadurch um 500 Millionen Tonnen senken. Eine weitere wirkungsvolle Strategie könnte - wie im schwarz-roten Koalitionsvertrag erwähnt - eine CO2-orientierte statt hubraumbemessene Kfz-Steuer sein. Auch eine EU-weite Angleichung der Besteuerung von Benzin und Diesel wäre umweltökonomisch gerechtfertigt, denn Dieselfahrzeuge emittieren zwar weniger CO2, dafür aber zusätzlich Rußpartikel.

Nicht vergessen werden sollte aber, daß der Straßenverkehr nicht der größte CO2-Verurscher ist. Je nach zugrunde gelegter Emissionsstatistik sorgt der Pkw-Verkehr nur für etwa zwölf Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland. Haushalte hingegen sind mit 14, die Industrie mit 16 und die Energiewirtschaft mit 43 Prozent an dem Ausstoß des Treibhausgases beteiligt.

Eine Verminderung des CO2-Ausstoßes durch sparsamere Autos um 20 Prozent würde daher nicht mal 2,5 Prozent der Gesamtemissionen ausmachen. Eine Obergrenze (oder Besteuerung) für den CO2- und Schadstoffausstoß wäre zwar sinnvoll, aber sie sollte paßgenau und ohne "Sozialneid" alle Verkehrsmittel treffen. Und wenn die Verbraucher nicht umdenken, wird auch eine Schadstoffgrenze nur wenig Wirkung zeigen.


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