© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/07 16. Februar 2007

Neuer Führer im Gasreich
Turkmenistan: Berdimuhammedow ist Nachfolger des "Türkmenbasy" / Annäherung an Rußland wahrscheinlich
Albrecht Rothacher

Wahlen in Zentralasien bereiten selten Überraschungen. Die Präsidialwahlen in Turkmenistan vom Sonntag waren keine Ausnahme. Angeblich 98,65 Prozent der Bürger gingen brav zur Wahl, nur wie hoch der Wahlsieg für Gurbanguly Mälikgulyýewiç Berdimuhammedow ausfiel, stand bei Redaktionsschluß noch nicht genau fest. Der 49jährige Zahnarzt hatte als langjähriger Gesundheitsminister und Vizepremier alle Säuberungen seines Vorgängers Saparmyrat Ataýewiç Nyýazow, der sich "Türkmenbaşy" (Vater aller Turkmenen) nennen ließ, als einer von wenigen unbeschadet überstanden. Vielleicht weil, wie Gerüchte behaupten, Berdimuhammedow ein außerehelicher Sohn Nyýazows war, der seine legitime Familie ins Exil nach London geschickt hatte.

Als der "Türkmenbaşy" am 21. Dezember 2006 unerwartet verstarb, wurde Berdimuhammedow zunächst zum geschäftsführenden Staatspräsidenten ernannt. Damit er auch kandidieren konnte, mußte der 2.500 Mitglieder starke Volksrat allerdings die Verfassung ändern und die Altersgrenze auf 40 herabsetzen. Und damit sich die Exil-Opposition keine falschen Hoffnungen machte, wurden zehn Jahre vorheriger Dauerwohnsitz im Lande gleichfalls vorgeschrieben. Ohnehin erhielt niemand von ihnen ein Einreisevisum, auch der im schwedischen Exil lebende Ex-Zentralbankpräsident Chudajberdy Orasow nicht, der als gemeinsamer Oppositionskandidat nominiert wurde. Die von Nyýazow zu Tausenden in Wüsten-Gulags inhaftierten politischen Gefangenen und ihre Angehörigen verblieben dort.

Zu demokratischen Dekorationszwecken wurden fünf weitere Kandidaten nominiert, alle verläßliche Parteigänger des Regimes aus dem zweiten Glied. Zu ihren Auftritten im "Wahlkampf" fuhren sie gemeinsam im Minibus. Vor dem abkommandierten Publikum lasen sie dann brav ihre abgesegneten Reden und die Antworten auf die vorher zugeteilten Fragen ab. Nachdem alles so gut klappte, bat Turkmenistan sogar die OSZE, Wahlbeobachter zu schicken. Berdimuhammedow versprach viel: die Renten wieder zu zahlen, Krankenhäuser in der Provinz wieder zu eröffnen, freie Berufswahl, Meinungsfreiheit, Zugang zum Internet und in der fernen Zukunft ein Mehrparteiensystem. Von all diesen Ankündigungen ist bislang nichts zu spüren. Die Grenzen blieben weitgehend geschlossen. Die Polizei und die Truppen des Innenministerium führten verstärkt Straßenkontrollen durch.

Doch die offiziellen internationalen Proteste hielten sich in Grenzen. Anscheinend glaubt die ausländische Diplomatie, schlimmer als unter Nyýazow (der 1985 Chef der KP der Turkmenischen Sozialistischen Sowjetrepublik und 1991 Präsident wurde) könne es kaum werden. Aus Moskau kam sogar offenes Lob für Berdimuhammedow. Im November war der 66jährige Nyýazow noch quicklebendig. Damals hatte er Frank-Walter Steinmeier hemdsärmelig mit einem kräftigen Handschlag begrüßt und den deutschen Außenminister mit seinen Menschenrechtsanliegen kaum zu Wort kommen lassen.

Armut und fünftgröße Erdgasvorkommen der Welt

Steinmeier meinte anschließend, in Turkmenistan werde der Weg zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu langsam beschritten. Wenig später warf Nyýazow vor laufender Kamera des Staatsfernsehens den Straßenbauminister aus dem Amt. Drei Tage vor seinen Tod traf sich der "Türkmenbaşy" mit EU-Diplomaten. Er war bester Laune und verhöhnte die benachbarten Diktatorenkollegen Nursultan Äbişulı Nazarbaev (Kasachstan) Islam Abduganijewitsch Karimow (Usbekistan).

Nyýazow war voller Tatendrang, seine Erdgasexporte endlich unabhängig von dem russischen Gasprom-Konzern verkaufen zu können. Eine neue Pipeline solle mit US-Geld durch den Westen von Afghanistan, das Land seines Freundes Hamid Karzai, zum pakistanischen Hafen Gwadar führen, eine andere mit chinesischem Kapital durch Tadschikistan nach Kaschgar. Sein Drang nach Unabhängigkeit und Neutralität - auch der GUS trat Turkmenistan nie bei - machte Nyýazow im Kreml keine Freunde.

Dennoch deutete nichts auf sein baldiges Ableben hin. Doch manche in der Wüstenhauptstadt Aschgabat (Aşgabat) waren gut vorbereitet. Schon Stunden nach dem mysteriösen Hinscheiden des "geliebten Vaters der Nation" sangen im Fernsehen schwarzgewandete Trauerchöre in sorgsam dekorierten Studios. Berdimuhammedow, der auch Nyýazows Leibarzt war, übernahm in poststalinistischer Tradition den Vorsitz der Begräbniskommission. General Akmurad Recepov, der Chef der Leibwache und des Geheimdienstes, der als mutmaßlicher Parteigänger Moskaus die Strippen zieht, ließ darauf Parlamentspräsident Öwezgeldi Ataýew, dem laut Verfassung die Nachfolge zustand, und 120 andere unsichere Kantonisten verhaften. Auch Alexander Schadan, der die Vollmacht für die milliardenschweren Gaskonten bei der Deutschen Bank hatte, ist bislang nicht wieder aufgetaucht.

Am Staatsbegräbnis des Diktators, der am Heiligabend im Familienmausoleum an der Prunkmoschee seines Heimatdorfes Kiptschak (Gypjak) beigesetzt wurde, nahmen der russische Premier Michail Fradkow, Gasprom-Chef Alexej Miller, der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan, die Präsidenten Viktor Juschtschenko (Ukraine), Karzai und Nazarbaev sowie hochrangige Delegationen aus China, den USA, dem Iran und Saudi-Arabien teil. Sie sind die Hauptakteure der nächsten Runde des zentralasiatischen Erdgaspokers - die Europäer schickten nur ein paar Botschafter.

Das bitterarme Fünf-Millionen-Volk der Turkmenen sitzt auf den kaum erschlossenen fünftgrößten Erdgasvorkommen der Welt. Bisher werden sie fast ausschließlich durch das Gasprom-Netz über Rußland in die Ukraine und nach Westeuropa exportiert. Ein lukratives Geschäft: Gasprom kauft 1.000 Kubikmeter turkmenisches Gas für 100 Dollar ein und verkauft es für 230 Dollar weiter. Neben der Fortsetzung des Gasprom-Monopols hätte Turkmenistan aber auch andere Optionen für Pipelines: den Iran, die Türkei (über Aserbaidschan und Georgien), Pakistan (über Afghanistan), China (über Tadschikistan).

Wache vor Türkmenbasy-Denkmal, Berdimuhammedow (o.l.): Fortsetzung des Gasprom-Monopols


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