© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/07 16. Februar 2007

Fließender Geldverkehr
Korruption: Ermittler decken in Sachsen kriminelles Netzwerk auf / 27 Millionen Euro Schaden durch Bestechung beim Bau der A 72 / Doppelmord als Ausgangspunkt
Paul Leonhard

Die Korruptionsbekämpfung funktioniert in Sachsen offenbar nicht richtig. Nach dem Millionenbetrug beim Bau der Autobahn A 72 zwischen Chemnitz und Hof - er gilt als einer der größten in den östlichen Bundesländern seit Jahren - fordert jetzt die FDP-Fraktion im sächsischen Landtag von Justizminister Geert Mackenroth (CDU), den Abgeordneten über die Tragweite des Korruptionsskandals und die Ergebnisse der bisherigen Ermittlungen Bericht zu erstatten.

Es sei nicht hinnehmbar, daß sich die Landtagsabgeordneten aus der Zeitung über den Vorfall informieren müssen, in dem seit 2005 ermittelt wird, kritisierte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Jürgen Martens. Die Liberalen erwarten auch eine Stellungnahme, inwieweit die Korruptionsbekämpfung des Freistaates funktioniert hat. Insbesondere geht es um die Arbeit der Anti-Korruptionseinheit Ibes. Auch der Chemnitzer Stadtrat war von der Rathaus-Verwaltung nicht informiert worden, als das Rechnungsprüfungsamt 2005 Unregelmäßigkeiten im Tiefbauamt moniert hatte. Jetzt sollen alle seit 1997 beschlossenen Bauvorhaben mit einem Volumen von mehr als 100.000 Euro erneut überprüft werden. In der Landeshauptstadt Dresden läßt der amtierende Oberbürgermeister Lutz Vogel (parteilos) die Strabag-Bauprojekte mit einem Umfang von mehr als einer halben Million Euro prüfen. Das sächsische Wirtschaftsministerium lehnt dagegen bisher eine rückwirkende Überprüfung von Vergaben ab.

Dem österreichischen Baukonzern Strabag wird vorgeworfen, beim Bau der Autobahn 72 durch Bestechung und Korruption rund 27 Millionen Euro Schaden verursacht zu haben. Die seit 14 Monaten laufenden Ermittlungen hatten Anfang Februar zur Aufdeckung eines kriminellen Netzwerkes geführt. Die Verhaftung eines Strabag-Mitarbeiters im Dezember 2005 hat nach Angaben des Unternehmens die interne Revisionsabteilung auf den Plan gerufen. Man habe in mehreren Treffen mit der Staatsanwaltschaft alle Unterlagen offengelegt und Unternehmensabläufe dargestellt, sagte Strabag-Sprecherin Birgit Kümmel.

Strabag löst Niederlassung auf

Nach derzeitigem Kenntnisstand ist der Strabag AG offenbar durch das Stellen von Scheinrechnungen von Subunternehmen unter Mitwissen der örtlichen Geschäftsleitung ein Schaden in Millionenhöhe entstanden. Die genaue Schadenshöhe werde noch ermittelt. Als Sofortmaßnahme löste das Unternehmen seine Niederlassung in Chemnitz mit 90 Mitarbeitern komplett auf. Beschuldigt werden neben mehreren Geschäftsleuten auch zwei Mitarbeiter von sächsischen Straßenbaubehörden. Sie sollen für Tips zum Vergabeverfahren Schmiergelder in bis zu sechsstelliger Höhe erhalten haben. Die Strabag bestätigte, daß ihre deutsche Zentrale in Köln von der Staatsanwaltschaft durchsucht worden war.

Dabei wurden Unterlagen der Internen Revision beschlagnahmt. Insgesamt wurden bisher 37 Wohnungen, Firmen und Behörden in Sachsen, Hessen und Berlin durchsucht. Dabei sollen auch 3.500 Ordner mit Abrechnungsunterlagen beschlagnahmt worden sein. 25 bis 30 Firmen sollen in den Korruptionsskandal verstrickt sein. Die meisten waren als Subunternehmen für die Strabag tätig. Mehrere davon sollen immer dann in Konkurs gegangen sein, wenn ein Auftrag erledigt war und größere Rechnungen fällig wurden. Ausgangspunkt der Ermittlungen war 2003 ein Doppelmord an einem Plauener Bauunternehmer und dessen Lebensgefährtin in der Dominikanischen Republik.


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