© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/07 09. Februar 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Von Vielfalt keine Spur
Andreas Mölzer

Wenn es nach dem Willen der deutschen Ratspräsidentschaft geht, soll die Bedeutung des Deutschen in der EU steigen. Obwohl die Sprache Goethes und Schillers die Muttersprache von etwa 85 Millionen EU-Bürgern und damit die meistgesprochene Unionssprache in Europa ist sowie darüber hinaus von weiteren 63 Millionen als Fremdsprache gesprochen wird, führt sie im Brüsseler Alltag nur ein Schattendasein. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, daß das Deutsche auf dem Papier neben dem Englischen und Französischen eine gleichberechtigte Arbeitssprache ist.

Beschämend ist, daß Österreich wegen der angeblich "hohen Kosten" den Berliner Vorstoß nicht unterstützt. Aus Gründen der Effektivität sei es "erstrebenswert, würden alle nur noch auf Englisch verhandeln", heißt es aus dem Wiener Außenministerium.

Als weiteres Argument gegen die Förderung der deutschen Sprache wird gerne angeführt, daß immer mehr Menschen die englische oder französische Sprache gut beherrschen. Ob die Fremdsprachenkenntnisse der Bürger so weit gehen, um schwierige Texte zu verstehen, die oft noch mit Fachausdrücken gespickt sind, darf jedoch bezweifelt werden. Schließlich schaffen die Verfügbarkeit und der Austausch von Informationen in der eigenen Muttersprache eine besondere Vertrautheit und stärken in weiterer Folge die Akzeptanz der EU.

Mit der Beendigung der Diskriminierung der deutschen Sprache in den EU-Institutionen könnte Brüssel auch zeigen, daß die Wahrung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt Europas mehr ist als ein bloßes Lippenbekenntnis. Allerdings kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Gleichberechtigung des Deutschen als Arbeitssprache in der EU für die Eurokratie kein wirkliches Anliegen ist.

Auf Anfragen an die EU-Kommission wegen der Nichtverwendung des Deutschen in den Internetauftritten der britischen und der finnischen Ratspräsidentschaften erhielt der Verfasser dieser Zeilen nur die lapidare Antwort, die Brüsseler Behörde wisse, "wie wichtig für die deutschsprachigen Bürger der Zugang zu den Internetseiten der europäischen Organen in ihrer Muttersprache ist". Aber im Gegensatz zu ihrer üblichen Politik, sich in alle Angelegenheiten der Mitgliedstaaten einzumischen, verwies die EU-Zentrale auf ihre Unzuständigkeit.

Der offenkundig fehlende Wille, die Sprachenvielfalt zu gewährleisten, ist wohl ein Teil der Bestrebungen des politischen Establishments, die EU vollends in einen zentralistischen Bundesstaat auszubauen. Und diesem Vorhaben stehen die verschiedenen, auch kleinen Sprachen im Weg. Denn sie sind die Träger einer über Jahrhunderte gewachsenen nationalen Identität und somit ein Wesensmerkmal der kulturellen Vielfalt, die Europa auszeichnet.

Im Gegensatz dazu läßt sich ein Einheitsstaat, wie er den Eurokraten vorschwebt, von der Zentrale aus besser regieren, wenn künftig nur noch eine Sprache, in diesem Fall die englische, dominiert. Die Politik Brüssels, die übrigen europäischen Sprachen in den nationalstaatlichen Bereich zurückzudrängen, ist nicht nur arrogant und bürgerfeindlich, sondern nährt auch die Befürchtung einer seitens der EU aufgezwungenen Einheitssprache und damit einhergehend des Verlusts der eigenen Identität und Kultur.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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