© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/07 09. Februar 2007

Kolumne
Mehr Bismarck als Wilson
Klaus Hornung

Deutschland muß Europa schaffen!" titelte meine regionale Sonntagszeitung zum Neujahrstag im Blick auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. In der Tat: Das Europa der Römischen Verträge von 1957 war im Vergleich zu heute noch fast eine Idylle: Freund und Feind waren klar geschieden. Im Schatten des Kalten Krieges und des Großen Bruders USA ging es um die Abwehr des Sowjetimperialismus und um die Schaffung einer Wohlstandszone in Europa. Heute, 50 Jahre später, sind die globalen Karten neu gemischt: China und Indien sind im Aufstieg, ebenso die islamische Welt zwischen Marokko und Indonesien. Es geht jetzt mehr denn je im globalen Kontext um nicht weniger als um die Existenz des alten Kontinents.

Angesichts der Bevölkerungsexplosion in Asien wird Europas demographische Katastrophe zu seiner eigentlichen Achillesferse. Um so wichtiger wird es, daß sich in Europa eine neue Führungsklasse formiert, die den Ernst der Lage begreift und ihren Völkern deutlich macht. Die Politische Klasse erschöpft sich noch allzu leicht im Gehabe einer "clasa discutadora" (Donoso Cortés). Und sie tritt ihren Völkern vor allem mit Beschwörungen der Menschenrechte und des Wohlstands entgegen. Im 21. Jahrhundert wird das alles aber nicht ausreichen, um Europa zum ernstzunehmenden Akteur im neuen globalen Mächtekonzert werden zu lassen.

Entscheidend wird sein, ob Europa seine historische Blindheit überwinden wird, mit der man seit Jahren schon dabei ist, das islamische Trojanische Pferd in die Burg hereinzuholen und einem islamischen Europa den Weg zu bereiten. Dabei sind die europäischen Trümpfe, dies zu verhindern, im Global Game gar nicht schlecht. Weder Rußland noch Indien oder China sind an einem islamischen Europa interessiert und auch nicht die USA, die um die Bedeutung der geostrategischen Gegenküste wissen. Aber entscheiden werden vor allem die Europäer selbst, ob sie genug Selbstbehauptungswillen aufbringen. Apolitischer Humanitarismus und grenzenlose "Toleranz", wie Angela Merkel sie soeben wieder vor dem Europäischen Parlament beschwor, werden da nicht ausreichen. Die entschiedene Wahrnehmung der eigenen Interessen ohne imperialistisches Gehabe hat im Mittelpunkt zu stehen. Das neue globale Mächtekonzert braucht mehr Bismarcks nüchternen Realismus als Wilsons demokratisches Missionarstum. Das Desaster der amerikanischen Irak-Politik bietet ein Exempel, das gerade in Europa nicht vergessen werden sollte.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaften an der Universität Hohenheim.


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