© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/07 02. Februar 2007

Zeitschriftenkritik: Studium Integrale Journal
Bibelkunde für Wissenschaftler
Daniel Körtel

Die sich als Glaubenswerk verstehende Studiengemeinschaft Wort und Wissen versucht der naturalistischen und säkularen Auffassung der modernen Wissenschaften eine solche gegenüberzustellen, die mit dem christlichen Glauben ihrer Mitglieder, die größtenteils aus verschiedenen wissenschaftlichen Berufen kommen, vereinbar ist. Ihre bekanntesten Vertreter sind Reinhard Junker und Siegfried Scherer, die Herausgeber des erfolgreichen, aber auch umstrittenen Schulbuchs "Evolution - Ein kritisches Lehrbuch", das gerade in sechster überarbeiteter Auflage erschienen ist. Zu den wichtigsten Publikationen der Studiengemeinschaft zählt das Studium Integrale Journal.

Das zweimal jährlich im 13. Jahrgang herausgegebene Heft enthält hauptsächlich Beiträge zu naturwissenschaftlichen Themen und biblischer Archäologie auf wissenschaftlichem Niveau, die allerdings so verfaßt sind, daß auch der interessierte Laie folgen kann. Zahlreiche Abbildungen illustrieren die Beiträge, zu denen auch ein Literaturverzeichnis angegeben wird. Auffallend ist das Fehlen jeglicher religiöser Dogmatik und mythischer Bezüge.

Im Hauptbeitrag der aktuellen, im November letzten Jahres erschienenen Ausgabe steht die für die Evolutionsbiologie zentrale Frage, inwieweit die Neubildung komplexer Organe und biologischer Funktionen wissenschaftlich belegt ist. Während die Feinoptimierung schon vorhandener Module, auch Mikroevolution genannt, durchaus experimentell zu beobachten ist, steht der Nachweis makroevolutiver Mechanismen, die vollkommen neue Strukturen und Konstruktionen hervorbringen können, noch aus.

Ein weiterer Artikel diskutiert die in Geologenkreisen aufgeworfene Hypothese, wonach sich die Landschaftsformen des sächsischen Elbsandsteingebirges mit ihren markanten Felsen nicht nach den anerkannten langfristigen Mechanismen gebildet haben sollen, sondern wesentlich rascher. Hierin deutet sich die diskrete Nähe der Studiengemeinschaft zum Kurzzeit-Kreationismus an, der sich buchstäblich an eine Schöpfung in sechs Tagen hält. Allerdings wird in diesem Beispiel offengehalten, welche Zeiträume man für plausibler hält.

Vorgestellt werden auch neueste Erkenntnisse aus der Ameisenforschung, wie in der Natur "dem Phantasiereichtum und der Ausgefallenheit keine Grenzen gesetzt zu sein" scheinen. So konnte man symbiotische Gemeinschaften beobachten, in denen die Dornakazie Ameisen "belohnt", die sie durch unangenehme Bisse vor Pflanzenfressern schützen. Im Gegenzug erhalten die Ameisen den von ihnen bevorzugten Spaltzucker frei zugeliefert.

Studium Integrale Journal dokumentiert, daß der Kreationismus als Alternativmodell zur Evolutionstheorie keineswegs mehr auf fundamentalistische religiöse Randgruppen beschränkt ist. Doch selbst wenn man die Positionen der Herausgeber nicht teilt, wirft die Qualität ihrer Argumente zumindest die Frage auf, ob sie es nicht wert sind, daß man sich mit ihnen ernsthaft auseinandersetzt. 

Studiengemeinschaft Wort und Wissen, Rosenbergwerk 29, 72270 Baiersbronn, www.wort-und-wissen.de


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen