© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/07 02. Februar 2007

Deutsche Industrie in Gefahr
EU: Einigung über Emissionsgrenzen für Autos vorerst gescheitert / Klimaaufl agen mit Nebenwirkungen
Michael Weis

Vorerst scheinen sich die Gegner einer gesetzlichen Höchstgrenze für den Kohlendioxid-Ausstoß von PKW - wie EU-Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und die deutsche Automobilindustrie - durchgesetzt zu haben. Trotz massiver Lobbypolitik und engagiertem Einsatz des griechischen Umweltkommissars Stavros Dimas hat die EU-Kommission ihre CO2-Pläne zunächst auf Eis gelegt. Man wolle den heftigen internen Streit beenden und verschiebe die Angelegenheit, hieß es aus Brüssel.

CO2-Ausstoß seit 1990 um etwa 30 Prozent gesenkt

Die deutsche Autoindustrie kann zunächst aufatmen. Sie braucht vorerst nicht zu fürchten, daß ab 2012 der Durchschnittsausstoß aller neu zugelassenen Autos unter 120 Gramm CO2 pro Kilometer (g/km) liegen muß, was in etwa einem Verbrauch von fünf Litern Benzin bzw. 4,5 Liter Diesel auf 100 Kilometer gleichkäme. "Die deutsche EU-Präsidentschaft verliert mit diesem Einknicken der Politik vor den Interessen einiger weniger Industriekonzerne ihre letzte klimapolitische Glaubwürdigkeit", kritisierte hingegen die Deutsche Umwelthilfe. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) warf Verheugen vor, er habe sich zum "wiederholten Mal als Umweltignorant geoutet".

Doch gerade Deutschland als Industriestandort muß ein starkes Interesse daran haben, eine EU-Regelung in der geplanten Form zu verhindern. Wahr ist, daß die EU-Autobauer in punkto Klimaschutz immer noch in schlechterer Verfassung sind, als sie einst selbst versprochen hatten. So werden VW, Renault & Co. ihr selbstgestecktes Ziel, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2008 von derzeit durchschnittlich 168 auf 140 g/km zu reduzieren, wohl kaum noch erreichen können.

Besonders deutsche Automobilfirmen, die schwere und PS-starke Premiummodelle verkaufen, sind von diesem Grenzwert noch weit entfernt. So erreichen VW, Daimler-Chrysler und BMW Werte zwischen 162 und 190 g/km. Porsche liegt gar bei 297 g/km.

Hinzu kommt, daß eine Obergrenze für Autoemissionen sowohl vom umweltpolitischen als auch vom ökonomischen- und sicherheitspolitischen Standpunkt durchaus sinnvoll wäre. Eine Obergrenze von 120 g/km würde schließlich zu einer Treibstoff-Ersparnis von etwa 3,7 Milliarden Liter jährlich führen, was nicht nur der Umwelt nützen, sondern auch die Abhängigkeit vom Öl zumindest verringern würde. In diesem Zusammenhang entwickelte Patente und technische Neuerungen könnten ferner der gesamten deutschen Industrie (die in diesem Bereich unangefochten Weltmeister ist) und nicht zuletzt dem Geldbeutel des Verbrauchers zugute kommen.

Besonders mit Blick auf die stetig steigende Zahl von Kraftfahrzeugen innerhalb der EU sei alles in allem eine gesetzliche Verpflichtung für die Industrie nur logisch, argumentieren die Befürworter einer CO2-Emissions-Höchstgrenze. Schließlich ist der durch Verkehr erzeugte CO2-Ausstoß alleine in Deutschland zwischen 1990 und 2002 um 10,3 Prozent gestiegen. Allerdings verursacht der Verkehr nur etwa ein Fünftel des deutschen CO2-Ausstoßes. Eine Energieersparnis wäre wünschenswert, hätte aber nicht eine derart gravierende Wirkung, wie oftmals angenommen wird (DIW-Wochenbericht 39/03).

Zudem sehen sich besonders deutsche Autohersteller schon lange als Vorreiter in bezug auf die Schadstoffemission. "Wir haben über die Flotte gesehen unseren CO2-Ausstoß zwischen 1990 und 2005 um 30 Prozent gesenkt", erklärte eine Sprecherin von Daimler-Chrysler. Sie machte damit auch einen generellen gedanklichen Fehler in bezug auf eine allgemeine Schadstoff-Höchstgrenze für PKW deutlich. Das wohl wichtigste Argument gegen die Regelung wird oft vergessen: Kraftfahrzeuge unterschiedlicher europäischer Marken sind nicht zu vergleichen.

Gerade die deutschen Hersteller produzieren eher Autos der gehobenen und höchsten Kategorie, während Firmen wie Fiat oder die PSA-Gruppe (Citroën und Peugeot) tendenziell kleinere Automobile herstellen. Besonders Audi, BMW, Daimler-Chrysler und Porsche sind allein aufgrund ihres Marktsegmentes gar nicht dazu in der Lage, innerhalb weniger Jahre den CO2-Ausstoß auf ein Niveau zu senken, das äquivalent zu dem anderer Marken ist. Außerdem gibt es wesentlich weniger VW Phaeton und Porsche 911 als Peugeot 207 oder Fiat Punto.

Eindringliche Warnung vor Arbeitsplatzverlust

Aus der Betrachtung des Gesamtschadstoffausstoßes der einzelnen Flotten könnte sich demzufolge ein sinnvoller Vergleich bezüglich der Umweltfreundlichkeit verschiedener Hersteller ergeben. Auch wenn keine genauen Zahlen vorliegen, ist offensichtlich, daß die Gegenüberstellung der Gesamtemissionen aller Flotten ein anderes und vor allem genaueres Bild der Umweltfreundlichkeit der jeweiligen Hersteller liefern könnte als eine stückbezogene Auswertung.

Daher warnten die Chefs der fünf großen deutschen Automobilhersteller die EU-Kommission unlängst in einem Brief davor, mittels der CO2-Höchstwerte eine gravierende Verzerrung des Wettbewerbs herbeizuführen und so die Wettbewerbsfähigkeit zahlreicher Standorte in Europa massiv zu beeinträchtigen. Eine Abwanderung zahlreicher Arbeitsplätze bei den Automobilherstellern wie auch in der Zulieferindustrie aus Deutschland und anderen EU-Standorten wäre die unmittelbare Folge. Minister Glos schloß sich den Warnungen an. Er geht damit auf klaren Konfrontationskurs zu Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD).

Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Punkt ist, daß die Kunden der deutschen Hersteller gezielt große und hochmotorisierte Fahrzeuge kaufen - und in einer Marktwirtschaft wird das Angebot nun mal durch die Nachfrage geregelt. Eine erzwungene Emissionssenkung wäre somit nicht nur ein Eingriff in den freien Markt, sondern käme indirekt einer Bevormundung des Verbrauchers gleich.

Wirtschaftsstaatssekretär Joachim Wuermeling (CSU) gab auch zu bedenken, daß Neuwagen sich durch Dimas' Vorschlag um etwa 3.600 Euro verteuern könnten. Würde dieselbe Summe beispielsweise in Wärmedämmung von Gebäuden eingesetzt, würde dies die CO2-Emission langfristig viel stärken senken.

Eine Emissionenhöchstgrenze pro Fahrzeug würde, so zeigt sich deutlich, besonders Unternehmen in Deutschland hart treffen und ausländische Unternehmen indirekt beträchtlich unterstützen. Dies mag auch der Grund sein, warum sich gerade Frankreich und Spanien (sonst nicht unbedingt für ihr umweltpolitisches Engagement bekannt) für die Gesetzesvorlage der Kommission einsetzten. In beiden Ländern ergreift die Politik schließlich traditionell stark Partei für die heimische Industrie.

Verheugens Einsatz gegen die geplante EU-Regelung kann also bei umfassender Analyse ebenso als Kampf für die Interessen seines Heimatlandes und der deutschen Industrie gewertet werden. Nichtsdestotrotz muß auf mittlere Sicht der CO2-Ausstoß aller PKW gesenkt werden, da der schönste Wagen und die leistungsfähigste Industrie ohne intakte Umwelt keinem Land etwas nützen.


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