© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/07 02. Februar 2007

"Siebzehn Jahre zu spät"
DDR-Unrecht: Diskussion über Gesetzentwurf zur Opferrente / Verbände reagieren zwiespältig
Ekkehard Schultz

Über sechzehn Jahre nach der Wiedervereinigung unternimmt die Großen Koalition mit einem Gesetzesentwurf den Versuch, die "materiellen Folgen der Unterdrückung ... von Opfern der SED-Herrschaft" zu "lindern" (JF 5/06).

Der Entwurf für ein drittes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz sieht die erstmalige Einführung einer Sonderrentenzahlung für die aus politischen Gründen vom kommunistischen System in der DDR Inhaftierten vor. Bislang waren alle Vorstöße in dieser Angelegenheit gescheitert. Zum letzten Mal geschah dies, als im Jahr 2003 der Antrag auf Einführung einer Ehrenpension von CDU/CSU und FDP wegen der vermeintlichen Überbelastung des Bundeshaushaltes und Ängsten vor einer "zumindest selektiven Bevorzugung der Opfer des kommunistischen Regimes gegenüber den Opfern der NS-Diktatur" am Widerstand der damaligen rot-grünen Koalition scheiterte. Schon die christlich-liberale Regierung unter Helmut Kohl hatte - trotz Forderungen der Opferverbände - eine solche Regelung abgelehnt.

Der Gesetzesentwurf besteht aus drei Teilen: Zum einen sollen die Mittel der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge auf drei Millionen Euro im Jahr erhöht werden. Bislang betrugen sie etwas über 1,6 Millionen Euro. Die Stiftung hilft Opfern des Kommunismus, die keinen rechtlichen Anspruch auf sonstige Leistungen haben, mit Zahlungen in Notsituationen aus und gewährt eine einmalige oder auch mehrfache Rechtsberatung. Des weiteren sollen die Antragsfristen zur Klärung von Rentenzeiten bis zum 31. Dezember 2011 verlängert werden.

Das Kernstück des Entwurfes ist jedoch die Einführung einer SED-Opferrente. Nach dem Papier sollen Opfer des kommunistischen Systems, die eine "nach den Grundsätzen der freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbare Freiheitsentziehung" über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erlitten haben und deren Verurteilung zur DDR-Zeit nach 1989 durch Rehabilitierungsentscheidung aufgehoben wurde, eine monatliche unpfändbare Ehrenpension von 250 Euro im Monat erhalten. Diese wird aber nur dann gewährt, wenn eine "besondere Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage der /des Verfolgten" vorliegt. Als obere Grenzen für die "Beeinträchtigung" wird ein heutiges Einkommen von maximal 1.035 Euro bei Alleinstehenden und 1.380 Euro bei Verheirateten angesetzt.

Die bisherigen Entwürfe für die Einführung einer Opferpension gingen davon aus, daß erst ab einer Mindesthaftdauer von einem Jahr (auch zusammengesetzt aus mehreren Haftzeiten) eine Rente gewährt werden sollte. Dies ist auch der Grund dafür, daß nach Schätzungen des Bundesfinanzministeriums und des Wirtschaftsministeriums statt rund 10.000 Anspruchsberechtigten (nach alter Regelung) nunmehr insgesamt rund 16.000 Personen Anspruch auf eine solche Rente hätten.

Rentenhöhe nach Anzahl der Haftjahre gestaffelt

Auf der anderen Seite sollte sich die Rentenhöhe bei den bisherigen Modellen nach der Anzahl der Haftjahre staffeln. Der Durchschnittsbetrag der Rente gemäß Vorlagen wurde damals auf rund 500 Euro geschätzt. Zudem war eine einkommensunabhängige Rentenzahlung vorgesehen. Nach der neuen Vorlage wird selbst ein Opfer mit einer Minimalrente, soweit es nur mit einem Durchschnittsrentenbezieher verheiratet ist, keine Ehrenpension erhalten.

Aufgrund dieser deutlichen Einschränkungen fiel das bisherige Urteil zu dem Gesetzesvorschlag aus den Verbänden der kommunistisch Verfolgten eher zwiespältig aus. Der Pressesprecher der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS), Ronald Lässig, nannte den 23. Januar 2007 "einen großen Tag für die DDR-Regimegegner".

Auch der Vorsitzende des Bundes der Stalinistisch Verfolgten (BSV) in Sachsen-Anhalt, Johannes Rink, begrüßte den Vorschlag "als längst überfälligen Schritt", bedauerte jedoch zugleich den Wegfall der Staffelung der Rente nach Haftzeiten und die einkommensabhängige Zahlung. Zudem kritisierte er, daß "die Rente siebzehn Jahre zu spät" gezahlt werde, da "viele anspruchsberechtigte Opfer inzwischen bereits verstorben" seien oder die Zahlung wegen ihres hohen Alters voraussichtlich nur über einen sehr kurzen Zeitraum erhalten würden.

Ähnliche Kritik äußerten auch die Landesbeauftragten für die Akten des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. So bezeichnete es der sächsische Beauftragte, Michael Beleites, als "enttäuschend" und "schwer zu vermitteln", warum es sich um eine einkommensabhängige Rente handele, auf die zudem "nicht inhaftierte Stasi-Opfer keine Ansprüche" hätten. Beleites forderte daher "dringende Nachbesserungen" am vorliegenden Entwurf.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen