© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/07 02. Februar 2007

RAF
Die Erotik des Terrors
Dieter Stein

Die mögliche vorzeitige Haftentlassung der Top-RAF-Terroristen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar empört derzeit viele Bürger. Alleine die Namen der Verbrecher lassen Zeitzeugen auch heute noch frösteln. Seinen Scheitelpunkt erreichte das Morden der linksextremen Terroristen vor genau 30 Jahren. Das Jahr 1977 wurde dominiert von einer ganzen Serie spektakulärer Attentate und Entführungen. Man sprach vom "Deutschen Herbst", obwohl die Serie schon am 7. April in Karlsruhe mit dem Mordanschlag auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback, seinen Fahrer und einen Begleiter eröffnet wurde.

Der "Mescalero"-Nachruf auf Buback in einer roten Göttinger AStA-Zeitung bestimmte den Ton dieser Zeit: "Klammheimliche Freude" drückte der Text über das Attentat stellvertretend für die tonangebende Linke damals aus. Die RAF und der von ihr elitär vertretene Terror gegen den demokratischen Staat und seine Repräsentanten verdichtete den avantgardistischen Machtanspruch einer radikalen Linken zum exklusiven Recht auf Durchsetzung ihrer Ziele mit revolutionärer Gewalt. Im Jahr 1977 besuchte ich ein Gymnasium im idyllischen bayerischen Isartal. Ich erinnere mich lebhaft an die fiebrige Stimmung, die selbst diese behütete Schule südlich von München erreichte. Komet hieß die Schülerzeitung, und sie war mit einem fünfzackigen Stern verziert, dem Symbol der RAF und des Kommunismus. Es gab nächtliche Einbrüche an der Schule, Vandalismus, erste RAF-Graffiti - "Alle Macht den Schülern", stand eines Morgens an der Wand, analog zu "Alle Macht den Räten". Die Lehrer, die Eltern, die Gesellschaft - sichtlich in der Defensive.

Die RAF, ihre arrogant-coolen Anführer: Sie machten ernst, sie räumten auf wie die Killer in den Italo-Western der Siebziger. Die RAF signalisierte stellvertretend für eine von '68 aphrodisierte radikale Linke: Wir können auch anders, wenn Ihr die Macht an den Schulen, an den Universitäten, in den Betrieben, im Staat nicht friedlich abtretet, dann werden wir uns eben auf andere Weise durchsetzen, notfalls mit Gewalt und Terror. Von diesem Mythos zehren alle gewaltbereiten linken Gruppen, die auch heute noch mit Terror gegen Andersdenkende, gegen Polizei und Repräsentanten des "Kapitals" vorgehen.

Der RAF-Terror ist Teil einer riesigen Blutspur, die die kommunistische Utopie im 20. Jahrhundert hinterlassen hat. So infernalisch der Vernichtungswille ist, den sie entfesselte, so zäh ist die Mär vom "Humanum", das dieser Ideologie innewohne. Immer noch rücken viele Täter und Ideengeber in mildes Licht. Vor zwei Jahren huldigte eine "RAF-Ausstellung" der Ikonographie der Terroristen. Warum nicht Baader und Meinhof feiern, wenn Liebknecht und Luxemburg Helden sein sollen?

Politiker, Journalisten, Intellektuelle drängen sich den Terroristen in einer Mischung aus Opportunismus und Gedächtnisverlust auf wie Groupies ihren Rockidolen. Claus Peymann kokettiert "mutig" damit, Christian Klar ein Praktikum an der Volksbühne anzubieten. Der den eiskalten Mördern verliehene Sexappeal, der Rummel um die Mörder (wann ist Klar bei Kerner, wann Mohnhaupt bei Maischberger?) ist ein Schlag ins Gesicht ihrer Opfer, die dem Vergessen anheimfallen.


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