© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/07 26. Januar 2007

Zwei Dinge braucht Gott, um Mensch zu werden
Liturgie: Papst Benedikt XVI. will alten Meßritus zulassen / Martin Mosebach hebt Opfercharakter der heiligen Messe hervor
Georg Alois Oblinger

Die katholische Welt hält gespannt den Atem an. Seit einigen Monaten verdichten sich Hinweise auf eine vom Papst geplante Freigabe des alten Meßritus. Die Veröffentlichung eines entsprechenden Dekrets (JF 34/06) wurde zunächst für November, dann für den 8. Dezember (Hochfest der unbefleckten Empfängnis), dann für Weihnachten erwartet, blieb aber jeweils aus. Dennoch scheint eine Freigabe des alten, sogenannten tridentinischen Meßritus, wie sie von der Priesterbruderschaft Pius X. seit langem gefordert wird, unmittelbar bevorzustehen.

Der Papst, der den alten Ritus sehr schätzt und ihn als Kardinal mehrfach zelebriert hat, will mit einem solchen Rechtsakt auf die Traditionalisten zugehen und die Gespräche mit ihnen intensivieren. Dennoch will Benedikt XVI. nicht hinter das II. Vatikanische Konzil und die Liturgiereform zurück. Der neue Meßritus soll als reguläre, der alte als außergewöhnliche Variante gelten.

Daß eine päpstliche Freigabe der "alten Messe" nicht überall mit Jubelrufen begrüßt wird, ist klar. Vor allem im französischen Episkopat gibt es starke Vorbehalte gegenüber dem Vorhaben des Papstes. Die mehrfache Verschiebung läßt sich wohl dadurch erklären, daß die französischen Bischöfe dem Papst ihre Bedenken vorgetragen haben. In den Tagen nach Weihnachten hat Benedikt XVI. offensichtlich einen sehr unkonventionellen Weg gewählt und mit den größten Kritikern am Telefon persönlich gesprochen - wie es heißt, nicht ohne Erfolg. Der tridentinische Meßritus wird also höchstwahrscheinlich in den nächsten Monaten freigegeben werden.

Liturgie wurde keineswegs ständig beliebig geändert

Zu diesem Zeitpunkt meldet sich der Schriftsteller Martin Mosebach, der ein großer Befürworter des alten Ritus ist und in seinem Buch "Häresie der Formlosigkeit" (Karolinger-Verlag) ein vernichtendes Urteil über die Liturgiereform gefällt hat, in der Zeitschrift Vatican - Schönheit und Drama der Weltkirche mit einem Essay zu Wort.

Die Zeitschrift, die seit Juni 2006 auch in deutscher Sprache erscheint (JF 23/06) und schon einen respektablen Abonnentenkreis gefunden hat, wird seit der Dezemberausgabe vom Fe-Medienverlag vertrieben und von Paul Badde und Norbert Neuhaus, dem Geschäftsführer von "Kirche in Not", herausgegeben. Dieser Wechsel führte allerdings zu einer zeitlichen Verzögerung, so daß das Dezemberheft erst in den ersten Januartagen ausgeliefert wurde. Wieder hat Paul Badde, der schon mit seinen Thesen über das Muschelseidentuch von Manoppello für Aufsehen sorgte (JF 52/06-1/07), einen verlorenen Schatz entdeckt. Er behauptet, die "Advocata", das älteste Marienbild, das der Legende nach vom heiligen Lukas gemalt wurde, im Rosenkranz-Kloster auf dem Monte Mario in Rom wiedergefunden zu haben.

Ebenso wartet die Zeitschrift Vatican seit dieser Ausgabe mit einer neuen Rubrik auf. Sie heißt "diputa" und soll mit kontroversen Beiträgen zur geistigen Auseinandersetzung anregen. Hier schreibt Martin Mosebach auf zwölf Seiten "über ein weißes Einhorn", womit er jenen Meßritus meint, der seit 1968 aus dem kirchlichen Leben verbannt worden ist. Er hält eine liturgiegeschichtliche Betrachtung, in der er nachweist, daß die Liturgie nicht - wie oftmals behauptet - ständig beliebig geändert wurde. Vielmehr gibt es dort Unwandelbares, in erster Linie die lateinische Sakralsprache und die Gebetsrichtung nach Osten - dem wiederkommenden Christus und nicht dem Volk zugewandt. Des weiteren hebt Mosebach den Opfercharakter der heiligen Messe hervor, der heute gerne vom Mahlcharakter verdrängt wird. In einem kulturgeschichtlichen Panorama zeigt Mosebach auf, daß jedes Opfer immer mit einem Mahl einherging, wodurch gerade der Opfercharakter unterstrichen wird.

Der erneuerte Meßritus hat leider einem symbolischen Verständnis Vorschub geleistet und den Glauben an die reale Gegenwart Christi in der heiligen Messe verdrängt, wie er beispielsweise vom französischen Dichter Paul Claudel so prägnant bekannt wurde: "Zwei Dinge braucht Gott, um Mensch zu werden: den Schoß der Jungfrau und die lateinische Sprache." Derselbe Jesus, der im Schoß der Jungfrau Maria Mensch geworden ist, nimmt Fleisch an auf dem Altar durch die Wandlungsworte, die der Priester spricht.

Vatican - Schönheit und Drama der Weltkirche, Fe-Medienverlag, Friedrich-Wirth-Str. 4, 88353 Kisslegg, Tel. 0 75 63 / 9 20 06, Fax. 0 75 63/ 33 81, Internet: www.fe-medien.de.


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