© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/07 26. Januar 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Frondienste
Karl Heinzen

Die österreichischen Hochschüler hadern mit Alfred Gusenbauer, dem frischgebackenen Bundeskanzler der Alpenrepublik. Zu den Wahlversprechen seiner Sozialdemokraten hatte die Abschaffung der 2001 eingeführten Studiengebühren gezählt. Nun, da er im Amt ist, opfert er dieses Ziel offenbar ohne größere Gewissensbisse dem Koalitionsfrieden. Allerdings will er den Studierenden in Zukunft die Möglichkeit bieten, die Studiengebühren in Höhe von 363,36 Euro pro Semester durch 60 Stunden Engagement im Rahmen eines neu zu schaffenden Sozialdienstes abzuarbeiten.

Die Betroffenen scheinen von dieser Chance, einen "Beitrag zu einer solidarischen Gesellschaft" (Gusenbauer) leisten zu dürfen, jedoch wenig begeistert zu sein. Es mag sich aufsummiert zwar nur um knapp drei Wochen im Jahr handeln, die sie für das liebe Gemeinwohl zu reservieren hätten. Für jene, die ein Studium ergreifen, um noch ein wenig Aufschub bis zum leidigen Berufsleben zu erwirken, wären aber bereits diese eine kaum auszuhaltende Zumutung.

An Argumenten gegen das Vorhaben des Kanzlers mangelt es daher nicht. Der Einwand, daß ein rechnerischer Stundenlohn von etwa sechs Euro im Vergleich zu anderen Studentenjobs auf dem freien Markt als zu niedrig anzusehen sei, kann dabei noch unschwer als unzeitgemäßer akademischer Dünkel durchschaut werden. Etwas mehr Berechtigung scheint hingegen die Kritik zu haben, daß ein Sozialdienst in Konkurrenz zu allen möglichen gemeinnützigen Institutionen träte und deren Beschäftigte einem Lohndumping aussetzen würde. Ein solches wäre aber durchaus sinnvoll, um die Kosten der sozialen Arbeit auf einem bezahlbaren Niveau zu halten.

Die Studierenden alleine werden aber nicht ausreichen, um diesen Druck zu erzeugen, zumal es vielen von ihnen an praktischer Veranlagung mangelt und sie daher keine wirkliche Alternative zu den Profis in diesem Metier sind. In einem nächsten Schritt wäre es daher notwendig, die gesamte Jugend in die Pflicht zu nehmen. Hierzu wird man bereits bei den Schulen oder Kindergärten und nicht erst bei den Universitäten ansetzen müssen. Angesichts der demographischen Entwicklung mag aber nicht einmal dies auf Dauer dem wachsenden Bedarf genügen. Zu überlegen ist daher, ob der Staat nicht eine Maxime formulieren sollte, die alle Generationen gleichermaßen in die Pflicht nimmt: Wer öffentliche Infrastruktur in Anspruch nimmt, muß zu ihrem Unterhalt und Betrieb nicht bloß einen finanziellen Beitrag leisten, sondern persönlich Hand anlegen.


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