© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/07 26. Januar 2007

Vom Pilotprojekt zurück zum Forschungsobjekt
Energiepolitik: Geothermienutzung löst mehrere Erdbeben in der Schweiz und Baden aus / Investitionen auf der Kippe
Volker Kempf

Der jüngste Öl- und Erdgas-Konflikt zwischen Rußland und Weißrußland (JF 4/07) hat erneut gezeigt, daß der Kampf um die fossilen Energieträger um Deutschland keinen Bogen macht. Selbst wenn man politische Probleme ausblendet, ist allein wegen der Umweltschäden durch ihre Verbrennung ein Umdenken angesagt. Doch auch das Uran für die höchst umstrittene Atomenergie reicht nicht ewig - und es lagert in ähnlich instabilen Regionen. Alternativen wie Energie aus Biomasse, Sonne, Wind- oder Wasserkraft reichen für das steigende Verbrauchsniveau bei weitem nicht aus.

Die Nutzung der Geothermie galt daher bislang als sauberer und risikoarmer Ausweg (JF 3/06). Pilotprojekte wurden unter anderem in der Schweiz, Frankreich und Deutschland in Angriff genommen. Der Oberrheingraben galt dabei als geologisch besonders geeignet. Doch die Branche hat seit dem 8. Dezember 2006 ein Problem. Die Genehmigung weiterer Anlagen steht international unter Vorbehalt.

Grund sind unerwartet starke Erdbeben, die das Basler Pilotprojekt "Deep Heat Mining" am 8. Dezember 2006 auslöste. Gemessen wurde ein Erdbeben der Stärke 3,4 auf der Richterskala. Das Epizentrum lag in der Nähe des Geothermie-Bohrlochs zwischen den Städten Basel und Weil am Rhein. Folgebeben wurden nicht ausgeschlossen, fielen am 6. und 16. Januar 2007 mit Werten von 3,1 und 3,2 aber unerwartet hoch aus. "Wir hatten mit einem Abklingen der Bewegung gerechnet", erklärte Projektentwickler Markus Häring in der Badischen Zeitung.

Die Erdstöße waren in einem Umkreis von etwa 15 Kilometern spürbar. Beim ersten Beben vom 8. Dezember gingen 450 Schadensmeldungen bei der Firma Geopower AG ein. Die Basler Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen "Sachbeschädigung und Schreckung der Bevölkerung" auf. 156 Anzeigen lägen vor, berichteten die Regionalblätter. Beim Erdbeben vom 16. Januar wurde auf deutscher Seite, in Weil am Rhein, ein Gebäudeschaden angezeigt. Bei der Basler Polizei gingen nach dem Beben 60 Anrufe ein, bei der Notrufzentrale in Grenzach-Wyhlen zwölf. Viele Menschen waren vor allem durch den Lärm, den die Erdstöße verursachten, zutiefst erschrocken. Er habe "wirklich Angst" gehabt, klagte ein Hauseigentümer gegenüber der Basler Zeitung.

Ein Beben der Stärke 3 bedeutet nach Expertenauffassung, daß sich die Erde in mehreren tausend Metern Tiefe auf einer Länge von 300 Metern um etwa einen Zentimeter verschoben hat. Bei dem in Basel angewandten Verfahren wird Wasser mit Hochdruck in die Erde gepumpt, um in etwa 5.000 Metern Tiefe Spalten aufzureißen, in die das Wasser fließt und sich dann erhitzt.

Nach den überraschenden Vorkommnissen ist das Basler Pilotprojekt erst einmal zu einem Wissenschaftsprojekt geworden. Reichlich Datenmaterial wird derzeit ausgewertet. Nur so kann das "Restrisiko" der Geothermienutzung am Oberrhein politisch neu bewertet werden, sagt der Pressesprecher des Basler Baudepartements, Marc Keller. Sicher ist bislang nur, daß der Basler Untergrund in 2.500 Metern Tiefe die Besonderheit aufweist, aus Granit zu sein. Damit lägen nur wenige Erfahrungen vor. Gegen Ende Januar soll ein erster Ursachenbericht des Schweizer Erdbebendienstes (SED) Aufschluß geben. Dann soll voraussichtlich noch am 30. Januar über die künftigen politischen Weichenstellungen der Anlage entschieden werden. Vorgesehen war, daß die Anlage Energie für 2.700 Haushalte liefert.

Die Betreiberfirma Geopower AG will die Investitionen in Höhe von 56 Millionen Schweizer Franken noch nicht als Risikokapital abschreiben. Kommunalpolitiker auf deutscher Seite wie der Landrat Walter Schneider möchten die Analysen ebenfalls abwarten und "keine vorschnellen Schlüsse ziehen". Es gebe keinen Grund, "aus der Hüfte zu schießen", erklärte der Weiler Oberbürgermeister Wolfgang Dietz.

Die Frage, ob die künstlich erzeugten Erdstöße das Aus mindestens für das Geothermieprojekt in Basel bedeuten, bleibt bis Ende Januar offen, doch die Akzeptanz in der Bevölkerung ist tief abgesunken. Verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, ist bekanntlich schwer. Die Betreiber und politischen Förderer der Geothermienutzung kämpfen damit nun an zwei Fronten, einmal unter, einmal über der Erde.

Foto: Geothermielabor in Groß Schönebeck: Nutzung der Erdwärme


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