© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/07 26. Januar 2007

Anhaltender Streit blockiert die Regierung
Italien: Premier Prodi entwickelt sich zu einer Geisel seiner kleinen Koalitionspartner / Erweiterung von US-Militärbasis empört Linke
Paola Bernardi

Wieder einmal war es der italienische Parlamentspräsident und Altkommunist Fausto Bertinotti, der Ministerpräsident Romano Prodi öffentlich kritisierte. Diesmal geht es um den weiteren Ausbau der US-Militärbasis im nordwestlich von Venedig gelegenen Vicenza. Für Prodi zieht wieder der Alptraum von 1998 herauf, als der damalige PRC-Chef Bertinotti ihn stürzte und der Postkommunist Massimo D'Alema (derzeit Vizepremier und Außenminister) die Führung der Mitte-Links-Regierung übernahm. Prodi wurde dafür als EU-Kommisionspräsident nach Brüssel abgeschoben.

Zunächst hatte der italienische Premier mit seinem "Si" für die umfangreichen US-Ausbaupläne gezögert. Erst als der allseits respektierte Innenminister Giuliano Amato (ein Ex-Sozialist), aber auch der postkommunistische Staatspräsident Giorgio Napoletano sich für die US-Basis einsetzten und auf die Bedeutung solider Beziehungen zu Washington hinwiesen, gab Prodi nach. Zudem machten Verteidigungsexperten darauf aufmerksam, daß Italien selber nur über spärliche militärische Ressourcen verfügt - obwohl es nahe der explosiven Nahost-Region liegt.

Derzeit ist Vicenza Hauptquartier der Southern European Task Force (Setaf). Laut den US-Plänen soll nun in unmittelbarer Nachbarschaft der bestehenden US-Kasernen ein zweiter Stützpunkt für die 173. Airborne-Brigade entstehen. Die Truppenstärke soll von 2.750 auf etwa 4.500 Soldaten anwachsen. Bislang war die 173. US-Luftlandebrigade in Bamberg und Schweinfurt stationiert.

Doch Kommunisten und Grüne sind empört über diese Entscheidung und haben ihrer eigenen Regierung den Kampf angesagt. Schon gab es erste Sitzstreiks und Aufmärsche in Vicenza und der umliegenden Region Venetien, aber auch vor dem Parlament in Rom. Dabei wurden wie üblich US-Flaggen verbrannt und antiamerikanische Parolen gebrüllt. Da die jüngste Regierungsentscheidung aber wohl nicht rückgängig gemacht werden kann, will sich der linke Regierungsflügel mit einer neu entfachten Diskussion über die italienischen Militäreinsätze rächen. Besonders die Afghanistan-Mission steht dabei im Kreuzfeuer. "Wir werden die demnächst anstehende Finanzierung im Parlament blockieren", versprach der grüne Umweltminister Alfonso Pecoraro Scanio.

Wieder ist der Linkskatholik Prodi, der keiner Partei angehört und so über keine Hausmacht verfügt, Geisel seiner heterogenen Regierung aus neun Parteien/Bündnissen geworden - und selbst eine Kleinpartei kann ihn jederzeit blockieren. Die größte und stabilste Koalitionspartei, die postkommunistischen Linksdemokraten (DS), steht vor ihrem für April geplanten Parteitag vor einer Zerreißprobe. Seit das Regierungsbündnis im Frühjahr 2006 die Wahl nur knapp gewonnen hat, hält sich Prodi nur mit Hilfe von Vertrauensabstimmungen im Amt (JF 19/06).

Mehrheit würde die Mitte-Rechts-Opposition wählen

Wo er oder seine Minister öffentlich auftreten, werden sie ausgepfiffen. Trotzdem behaupt der Premier: "Nur ich entscheide" und "Ich werde fünf Jahre regieren". Dabei machen die Linken ihm bei fast jedem Plan einen Strich durch die Rechnung. Italiens Regierung ist faktisch blockiert. Nur der Kitt der Macht hält sie zusammen. Nach jüngsten Umfragen würden derzeit fast sechs von zehn Italienern die Mitte-Rechts-Opposition wählen, obwohl diese auch unter einer Führungskrise leidet, seitdem Ex-Premier Silvio Berlusconi gesundheitlich angeschlagen ist.

Die großartig angekündigte zweitägige Klausurtagung im Bourbonen-Schloß Caserta bei Neapel sollte im Januar einen Neubeginn der Koalition laut Prodi markieren. Endlich sollten strukturelle Reformen - vor allem in der öffentlichen Verwaltung und bei der defizitären staatlichen Altersvorsorge - eingeleitet werden. Doch die Tagung erwies sich als Flop. Der Regierungschef präsentierte nur eine 54seitige aktualisierte Version seines Regierungsprogramms, die außer guten Vorsätzen keine Substanz aufwies. Wieder hatten sich die Linken gegen die liberalen Reformkräfte durchgesetzt.

"Die Parteien zerstören die Zukunft unseres Landes", klagte denn auch der Präsident des Industrieverbandes, Luca Cordero di Montezemolo, der 2006 für den Regierungswechsel warb. Nun wirft er der Regierung vor, keine Entscheidung zu treffen, und droht: "Dann müssen wir Italiener es allein tun."

Doch nicht nur in der Wirtschafts-, Finanz und Außenpolitik sind sich die Regierungspartner völlig uneins, auch in ethischen Fragen klaffen Abgründe auf. So sollen künftig alle Lebenspartnerschaften - auch homosexuelle - gleichgestellt werden. Der frühere Christdemokrat Prodi war mit diesem Versprechen sogar in den Wahlkampf gezogen. Bis Ende Januar soll der Gesetzentwurf über die "Ehen ohne Trauschein" verabschiedet werden. Die angestrebte Reform sieht vor, daß Lebenspartner, die mindestens fünf Jahre zusammengelebt haben, künftig bei finanziellen Fragen wie Rente und Erbschaft ähnlich behandelt werden wie Eheleute.

Bedrohungen für die natürliche Familienstruktur

"Wir unterstützen die Familie. Wir haben keinerlei Absicht, Lebensgemeinschaften mit Familien gleichzustellen", wiegelt die Frauenministerin Barbara Pollastrini (DS) ab. "Uns geht es darum, mit einem Gesetz Rechten und Pflichten jener Italiener zu verankern, die nicht heiraten wollen bzw. nicht können."

Gleichzeitig warnt seit Wochen der Papst vor der Legalisierung von Ehen ohne Trauschein und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. "Wie könnte man nicht besorgt sein über die ständigen Angriffe auf das Leben von seiner Empfängnis bis zum natürlichen Tod?" appellierte Benedikt XVI. auf dem Neujahrsempfang der Diplomaten an die Verantwortlichen. "Es häufen sich die Bedrohungen für die natürliche Struktur der Familie, die auf der Ehe zwischen Mann und Frau basiert, und die Versuche, sie zu relativieren, indem man anderen Formen des Zusammenlebens denselben Status einträumt wie ihr. All das greift die Familie an und trägt dazu bei, sie zu destabilisieren", warnte der Papst.

Auf die wiederholten päpstlichen Appelle reagierten Aktivisten von homosexuellen Verbänden. Sie versammelten sich auf dem Petersplatz und schwenkten Fahnen und riefen: "No Taliban, no Vatican". "Diese ethische Frage wird die Nagelprobe für die Regierung Prodi", meinte der Kommentator des Mailänder Corriere della Sera.

Foto: Werbeaktion für US-Militärbasis Vicenza: Neu entfachte Diskussion über italienische Auslandseinsätze


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