© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/07 19. Januar 2007

Gescheiterte Lebensentwürfe
Ein 68er Schicksal
Werner Olles

Eine Roman-Trilogie in einem Band, der allerdings über siebenhundert Seiten umfaßt, ist an sich bereits eine Okkasion. Doch tatsächlich geht dergleichen im alltäglichen Kultur- und Literaturbetrieb gewöhnlich recht schnell unter und gerät - oft genug unverschuldet - in Vergessenheit. Manche Autoren können ein Lied davon singen, während andere unverdrossen auf den großen Wurf, die tolle Idee oder den letzten Kick warten.

Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um die ziemlich außergewöhnliche Beschreibung einer Lebensreise, die sich in drei Etappen abspielt: nach außen in einem weitgehend alltäglichen Rahmen, hinter dem aber bei genauerem Hinschauen gewisse Grenzbereiche menschlichen Erlebens sichtbar werden, deren krisenhafte Aktualität den Leser nicht unbeeindruckt läßt. So beginnt der Erzähler den Lebens- und Leidensweg seines langjährigen Freundes Hartmut Sörensen zunächst mit Tagebuchnotizen zu beschreiben, die im Oktober 1996 im italienischen Bibione ihren Anfang nehmen und fast drei Jahre später, im Juni 1999, vorläufig enden.

Das zweite Buch handelt vorwiegend von der Beziehung jenes Hartmut Sörensen zu Zofia, einer polnischen Jüdin und Zufallsüberlebenden des Holocaust, die seit 1961 in Deutschland lebt, zur Zeit als Germanistikstudentin. Da sie hier eine dauerhafte Lebensperspektive finden möchte, legt man ihr nahe, einen Deutschen zu heiraten. Doch der einzige heiratswillige Kandidat ist der acht Jahre jüngere Musikstudent Hartmut S., der sich erst kürzlich an einer von studentischer Seite initiierten schwulen Emanzipationsbewegung beteiligt hat, um dadurch sein reichlich labiles Selbstbewußtsein zu festigen. Seine Dissertation ist auch nach sieben Jahren Vorbereitungsarbeit noch nicht abgeschlossen, was die von der langen Behördenprozedur genervte Zofia noch ein wenig unruhiger macht.

Im dritten Buch kommt es schließlich und endlich zur Ehe der beiden mit allen Höhen und Tiefen. Bis dreißig Jahre später - Hartmut ist verschollen, Zofia längst verstorben - ein höchst umfänglicher Band mit dem Untertitel "Eine Statt-Dissertation" erscheint.

Wolf Dietrich Förster: Fahrschein nach Punta Arenas. Die Reise des deutschen Langzeitstudenten Hartmut S. Fouque Literaturverlag, Frankfurt a. M. 2006, broschiert, 707 Seiten, 18,40 Euro


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