© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/07 19. Januar 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Gerechtigkeit
Karl Heinzen

Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Roten Armee Fraktion (RAF), die vor genau drei Jahrzehnten die alte Bundesrepublik monatelang in Hochspannung versetzten, befinden sich nur noch Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar in Haft. Die übrigen Vertreter der Täterseite in diesem Krimi sind entweder tot oder erfreuen sich ihres ganz und gar nicht mehr revolutionären Ruhestandes in neuerlicher Freiheit.

Zu ihnen könnte sich die 57-jährige Mohnhaupt schon in Kürze gesellen. Ende März kann sie auf 24 Jahre Leben hinter Gittern zurückblicken. Der richterlich festgesetzten Mindestverbüßungsdauer ist damit Genüge getan. Ihre Kriminalprognose ist offenbar positiv. Da es heute eine terroristische Bedrohung nur noch durch Islamisten gibt und sie sich diesen nach den vorliegenden Erkenntnissen im Gefängnis nicht zugewandt hat, ist nicht zu erwarten, daß sie außerhalb der Gefängnismauern an ihre alte Karriere anknüpft. Dazu dürfte sie auch kaum die Zeit finden, denn als eine Drahtzieherin der spektakulären Coups von 1977 kann sie darauf hoffen, daß man sich - zumal im Jubiläumsjahr - in manchen Medien um sie reißen wird.

Christian Klar hingegen bietet sich diese Chance nur dann, wenn Bundespräsident Horst Köhler rechtzeitig die Begnadigung aussprechen sollte. Ansonsten ist eine Freilassung frühestens 2009 möglich. Die berufliche Zukunft des 54jährigen dürfte auch eher in der Theaterbranche liegen. Claus Peymann hat dem Unentwegten, der nur der Gewalt, nicht aber seinen Idealen abgeschworen hat, bereits ein Praktikum im Berliner Ensemble angeboten.

Spät, aber nicht zu spät könnte den ersten beiden Generationen der RAF also doch noch Gerechtigkeit widerfahren. Vielen ihrer Zeitgenossen verstellte die Empörung über die von ihnen verursachten Kollateralschäden nämlich den Blick darauf, daß sie in erster Linie die Verzweiflung über das Versagen der Bundesrepublik trieb, dem eigenen moralischen Anspruch einer entschiedenen Abkehr von der nationalsozialistischen Vergangenheit wirklich gerecht zu werden. Ohne die RAF wäre zudem der Elitenwandel der zurückliegenden Jahrzehnte so nicht möglich gewesen. Erst ihre unmißverständliche Bereitschaft zur Eskalation zwang die Gesellschaft nämlich dazu, sich die Frage zu stellen, wie die Heerscharen von gut qualifizierten Linksextremisten wohl wieder in das Gemeinwesen zu integrieren wären. Heute profitieren wir davon, daß genau dies gelungen ist. Ein Außenminister Fischer wäre ohne einen Terroristen Klar vielleicht nicht möglich gewesen.


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