© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/07 19. Januar 2007

CD: Jazz
Hochkarätiges
Michael Wiesberg

Der 1931 in Jajce/Bosnien geborene und heute in München lebende Jazztrompeter bzw. -flügelhornist, Arrangeur und Bandleader Dusko Goykovich wird mit Recht zu den herausragenden Persönlichkeiten des Jazz gezählt. Schaut man zum Beispiel auf die Musiker, mit denen dieser begnadete Trompeter gearbeitet hat, dann finden sich viele renommierte Namen, unter anderem Chet Baker, Gary Burton, Miles Davis, Tommy Flanagan, Stan Getz oder Dizzy Gillespie.

Ausgebildet an der Musikschule in Belgrad und der Berklee School of Music in Boston (ab 1961), gründete Goykovich in Köln zunächst sein International Quintet. Seit 1968 ist er als Solist (unter anderem in der Kenny Clarke-Francy Boland-Band, bei Peter Herbolzheimer, George Gruntz, Joe Haider und Nicolas Simion) und als Leiter eigener Gruppen (zum Beispiel Soul Connection) tätig.

Es waren zunächst vor allem seine unvergleichlichen Bebop-Linien und seine gefühlsbetonten Balladen-Interpretationen, die Goykovich zu einem Begriff haben werden lassen. Mittlerweile hat er auch andere, aufregende Wege beschritten. So erschien 2003 - in hochkarätiger Besetzung - "Samba Do Mar" (Enja Records/München, ENJ 9473 2), ein Album, das deutlich und durchgehend von Motiven brasilianischer Musik inspiriert ist. Das Album wurde weltweit ein großer Erfolg und erhielt zu Recht den Preis der deutschen Schallplattenkritik.

Im Oktober letzten Jahres legte Goykovich nach und veröffentlichte das Album "Samba Tzigane" (Enja Records, ENJ 9489 2). Goykovich versammelt hier die bewährten Kräfte von "Samba do Mar", den filigran-virtuosen ungarischen Gitarristen Ferenc Snétberger (seit 1988 in Berlin lebend), Martin Gjakonovski (Bass), Jarrod Cagwin (Schlagzeug), ergänzt von Marcio Tubino (Flöte) sowie der Vokalistin Céline Rudolph. Zu hören sind neben Klassikern von Jobim, Villa-Lobos, Baden Powell und Luiz Antonio auch Eigenkompositionen.

"Samba Tzigane" bietet kein durchgängiges Arrangement brasilianischer Klassiker, wie das eine oder andere Bossa-Nova-Stück vielleicht vermuten lassen könnte. Überdies finden sich Stücke des Argentiniers Sergio Mihanovich und auch Kompositionen von Dusko Goykovich selbst. Dieser feinsinnige Stilist unterstreicht hier erneut, warum er mit Trompete und Flügelhorn in Europa und den USA so große Erfolge feiern konnte. Goykovich liefert auch auf "Samba Tzigane" eine meisterhafte, dynamische und zum Teil elegisch-melancholische Interpretation brasilianischer Klänge.

Dem 49jährigen Ferenc Snétberger muß man nach dieser Aufnahme wohl erneut Kränze binden; er hat sich zu einem Solitär zwischen Klassik, Jazz und Bossa Nova entwickelt, den ein erstaunliches Maß an Phantasie auszeichnet. Als Vorbild bezeichnete Snétberger einmal den brasilianischen Multi-Instrumentalisten Egberto Gismonti, der Motive aus Folklore, Kammermusik und Jazz zu einer eigenständigen Musik umformt. Ihm dürfte Snétberger mittlerweile allerdings in nichts mehr nachstehen.

Die Interaktion aller beteiligten exzellenten Musiker hat ein entspannt-beschwingtes Album entstehen lassen, auf dem Goykovich erneut aufgrund seiner lyrischen Spielweise hier und da an Chet Baker erinnert. Ist es Zufall, daß sich auch Chet Baker in der letzten Phase seines Musikerlebens mehr und mehr für brasilianische Musik interessierte? (Beispiele hierfür sind unter anderem "Beautiful Black Eyes" oder "Zingero".) Keine Frage: "Sambo do Mar" und "Sambo Tzigane" sind Hochkaräter; hier wird eine Deutung des Jazz manifest, die nichts von jener Verkopftheit hat, mit der diese Musikrichtung manchmal überfrachtet wird. Beide Goykovich-Alben gehören deshalb ohne Einschränkung zu den hörenswertesten Produktionen der letzten Zeit. 


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